Dreimal pro Woche eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten-Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war gestern. Da hat I. geantwortet. Oder laut aufgestöhnt. Weil er sich, erzählte er am Telefon, nach den Problemen jener Dame sehne, die hier ihr Einbrecher-Lied gesungen hatte: Denn dass bei B. nicht eingebrochen werde und die Nachbarschaft wegschaue (siehe Stadtgeschichte "Einbruch"), sagt I., sei doch kein echtes Problem – auch wenn der Hinweis auf die fehlende Zivilcourage, "Nennen wir es Feigheit", meinte I., der Geschichte eine bedenkliche Note gäbe.

Bei ihm, erzählte I., aber, läge das Problem anders: Da werde nämlich ständig eingebrochen. Unentwegt. Pausenlos. Ohne Unterlass. Und bevor ich ihm an den Kopf werfen konnte, dass das wohl doch ein bisserl übertrieben sei, hatte er schon fortgesetzt: Er wohne, sagte I., in einer stinknormalen Wohnsiedlung in einem stinknormalen Viertel in einem stinknormalen Bezirk. So richtig durchschnittlich. Weder arm noch reich, weder rein-österreichisch noch besonders intensiv mit Migranten bevölkert. Angenehm und gemütlich habe er, so I., hier über Jahre gewohnt. Mit seiner Freundin, ihrem und seinem Kind. Durchschnittlich eben – mehr (oder anders), so I., habe er (es) nie gewollt.

Gestörte Idylle

Aber vor einem Jahr sei die Idylle gestört worden: Als I. in der Früh seine Wohnungstür öffnete, sei ein Mann vor ihm gekniet. Auf der Türmatte. Und im ersten Augenblick habe er, I., gedacht, dass der Fremde mit einer Waffe auf seine Hoden ziele. Aber der Unbekannte sei aufgesprungen und davongelaufen. Und erst als er seine Tür angeschaut habe, habe er erkannt, dass die Waffe wohl eher ein Bohrer war: Das Schloß war angebohrt.

Er habe, setzte I. fort, zuerst den Schreck verdaut und dann einen Schlosser kommen lassen: Die Vorstellung, dass ein tölpelhaft recherchierender Einbrecher plötzlich zwei kleinen Kindern gegenüberstehen könnte und die Nerven wegschmeißt, sei ihm die 1500 Euro für eine massive, Einbrüche erschwerende, Türarmierung Wert gewesen. Nur: Das sei erst der Anfang gewesen.

Sieben Versuche

Denn seit damals, so I., habe man gezählte sieben Mal versucht, bei ihm einzubrechen. Jedes Mal ohne Erfolg. Aber dass es bei ihm keinerlei Reichtümer oder Schätze zu holen gäbe, seufzt I., wisse eben nur, wer in der Wohnung stehe. Davor sei lediglich eine massive Tür zu sehen. Eine, deren Armierung, so hatte der Schlosser jedenfalls gesagt, bei den meisten Schurken das Florianisyndrom auslöse: Sie suchen sich ein einfacheres Ziel.

Aber ausgerechnet er, klagt I., dürfte an einen Ehrgeizler unter den Tu-nicht-guts geraten sein. Und zwar an einen, der handwerklich nicht allzu geschickt ist: Jede Tür, hatte der Schlosser gesagt, wäre bezwingbar ­- das sei nur eine Frage der Mittel, der Zeit und des Wollens.

Störende Nachbarn

Und in seinem Fall, klagt I., käme auch noch eine funktionierende, alerte Nachbarschaft hinzu: Zweimal habe der Nachbar von gegenüber den Einbrecher fast erwischt, einmal sei der Hund von schräg über ihm fast ausgerastet und dann von seinem Herrchen aus der Wohnung gelassen worden. Zweimal hatten Unbekannte die Polizei gerufen (die dann mit Folgetonhorn durch die Siedlung gedüst sei). Einmal, beim ersten Mal, sei der Schurke wohl an der Tür an sich gescheitert­ und einmal wäre er, I., selbst fast über den Ganoven gestolpert: Aber mit einem Vierjährigen an der Hand, sagt I., habe er sich beim Aussteigen aus dem im Halbstock haltenden Lift dann doch lieber dazu entschlossen, so zu tun, als wohne er einen Stock tiefer. Als er den Buben bei der Nachbarin abgegeben hatte, die die Funkstreife anrief, und er auf den Gang trat, sei vor seiner Tür natürlich niemand mehr gewesen.

Er sei, sagt I., mittlerweile mürbe. Verzweifelt. Und fast, so I., hoffe er, dass die Bösewichter irgendwann einmal bis in seine Wohnung kämen. Es gäbe da zwar weder Geld noch Schmuck noch Preziosen oder Pelze, aber wenn sich jemand seinen Fernseher auf den Buckel schnallen wolle, bitteschön: Sollte der Spuk dann vorbei sein, meint I., wäre das ein Preis, den er gerne zu zahlen bereit sei.