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Die Feuertaufe für Peretz, der sich zuvor nur in Arbeitskonflikten als harter Kämpfer bewährt hatte, kam viel schneller, als man dachte.

Foto: REUTERS/Ammar Awad
Erst zweieinhalb Monate ist es her, dass man Amir Peretz das israelische Verteidigungsministerium überließ, weil das noch das geringste Übel war. "Was kann man tun?", seufz-ten vom neuen Premier Ehud Olmert abwärts alle Israelis. Peretz ist nun einmal der Chef der Arbeiterpartei, und als solchem steht ihm in einer großen Koalition eines der drei Schlüsselressorts Äußeres, Finanzen oder Verteidigung zu.

Das Außenministerium könne man ihm nicht geben, hieß es, weil er Israel mit seiner hemdsärmeligen Art und seinem komischen Englisch auf den diplomatischen Parketts blamieren würde. Das Finanzministerium könne man ihm nicht geben, weil er eine bolschewistische Weltanschauung habe. Also blieb nur das Verteidigungsressort, obwohl er die Welt der Generäle nicht kennt und daher eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen könnte.

Die Feuertaufe für den Mann, der sich zuvor nur in Arbeitskonflikten als harter Kämpfer bewährt hatte, kam viel schneller, als man dachte. Und ausgerechnet Peretz schlägt jetzt von allen israelischen Regierungsmitgliedern die schärfsten Töne an. Dem Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah droht die frühere Friedenstaube ungeschminkt mit der Liquidierung. Und niemand scheint zufriedener darüber zu sein, dass sowohl die internationale Gemeinschaft als auch das Stehvermögen der unter Raketenbeschuss liegenden israelische Bevölkerung es erlauben, die Militärkampagne "ohne Zeitlimit" fortzusetzen.

Es wirkt zwar noch immer ein bisschen deplatziert, wenn Peretz im Stile aller klassischen Verteidigungsminister im Militärhubschrauber vom Luftwaffenstützpunkt zur Artilleriestellung hopst, um verschwitzten Offizieren Moral-injektionen zu verabreichen. Aber er wird jetzt doch als Führungspersönlichkeit gehandelt.

1952 in Marokko geboren, wanderte Armand, wie er damals noch hieß, mit vier Jahren in Israel ein. Aufgewachsen ist er in Sderot im Süden, das ständig mit Kassam-Raketen der Hamas beschossen wird. Mehr als Mittelschulbildung bekam er nicht mit, trotzdem sollte er hier ein populärer junger Bürgermeister werden. 1974 erlitt Peretz als Fallschirmhauptmann schwerste Beinverletzungen und lag zwei Jahre im Spital.

Politisch profiliert hat sich der Mann mit dem legendären Riesenschnurrbart, nachdem er 1995 Gewerkschaftschef wurde und mehrmals seine Streikmuskeln spielen ließ. Zur allgemeinen Verblüffung und zum Entsetzen des Parteiestablishments besiegte Peretz im letzten November den alten Shimon Peres und wurde Spitzenkandidat der Arbeiterpartei. Er führte sofort Neuwahlen herbei, bei denen er aber mäßig abschnitt. 72 Prozent der Israelis finden jetzt, dass Peretz mit der Krise gut umgeht. (Ben Segenreich/ DER STANDARD, Printausgabe, 20.7.2006)