"Wenn jemand nur so tut als wäre er mein Freund, bin ich schon glücklich." Guido Gluschitsch und die Suzuki GSX-R 600.

foto: derstandard.at
Der einzige Unterschied liegt im Motor. Der Rahmen ist gleich, die Verkleidung ist gleich, die gleichen Reifen, sogar der Auspuff ist gleich laut. Kurzum, der einzige Unterschied liegt im Motor. Es wäre also ganz einfach, den Text der GSX-R 750 herzunehmen, 750 durch 600 zu ersetzen, ein paar Pferde auszuspannen und ein Newtonmeter am Kurvenausgang liegen zu lassen. Fertig.

Nur, sie hat halt keinen knackigen eigenen Namen, die GSX-R 600. Die "Siemahoiba" heißt "Siemahoiba". Bei gegenständlicher 600er immer 6er Gixxen hinschreiben, nein, das geht nicht. Außerdem war ich mit der 600er nicht im Trentino, sondern blieb in Österreich. Noch dazu hat der Herr Rudolf unentschuldigt gefehlt.

Dafür war der Pteppic dabei. Der ästhetische Unterschied ist zu vernachlässigen – zwischen Herrn Rudolf und Pteppic genauso wie zwischen 6er Gixxen und Siemahoiba. Aber im Detail liegt der Unterschied. Der Pteppic ist um 151 ccm, äh cm, kürzer als der Herr Rudolf. Also passt das eh.

Jedenfalls ist das so: Wenn man von der mittleren Gixxen auf die kleine steigt, merkt man erst einmal gar keinen Unterschied. Selbst beim Anstarten ist noch alles gleich: Höllenlärm. Und am Weg von der 2RadBörseSüd in die Herrengasse, im Stadtzentrum von Wien, ist nicht die Welt um. Man merkt zwar, dass ein bisserl weniger Saft anliegt, aber so arg anders, wie ich mir das vorstellte, ist es dann doch nicht. Für die Statistiker heißt das 125 PS (GSX-R 750: 150 PS), 68 Nm (86 Nm bei der Siemahoiba), und preislich sind die beiden um rund 800 Euro auseinander.

Für die Gschichtlleser vernachlässige ich jetzt die Feinheiten in den Fahreigenschaften durch unterschiedliche Massen im Motor. Ich merke es ja eh nicht. (Eh klar. Anm. d. Frau Lektorin) Kaum jemand wird das merken, würde ich sagen, wenn er die beiden Eisen nicht an einem Tag mehrmals gegeneinander tauschen kann. Nein, ich erzähl lieber von der Ausfahrt mit dem Pteppic.

Den Pteppic kennt mancher Leser vielleicht von seinen, naja, eloquenten Postings. Er ist immer dann mein bester Freund, wenn ich ein Eisen ausgefasst habe, das ihn besonders interessiert. Eh ein Herr Rudolf, wie gesagt, nur halt nicht auf zwei Meter gestreckt, sondern im handlichen Familienpack. Und was die beiden noch unterscheidet, sind wohl 100 km/h am Kurveneingang und noch ein paar mehr am Kurvenausgang.

Aber was soll’s. Wenn jemand nur so tut als wäre er mein Freund, bin ich schon glücklich. Und nachdem ich dem Pteppic sagte, dass er sogar eine Runde mit der Gixxen wird fahren dürfen, hat er mich sogar zum Essen eingeladen.

Wir treffen uns bei mir zu Hause, um vorab noch einen Café zu trinken. Die Frau Lektorin war auch gerade da und so führen die beiden noch locker Schmäh, machen sich über mich lustig, während ich mich in das Leder zwänge, das vom vielen Fahren offensichtlich immer enger wird. Dass Leder an der Luft so eingeht, ist eigentlich schon eine ziemliche Frechheit. Als ich die Kombi kaufte, hatten noch ein paar Schnitzel drinnen Platz – heute geht grad einmal noch die Ersatzwindel rein.

Angedacht ist eine gemütliche Ausfahrt, bei der wir halt irgendwo stehen bleiben werden, um ein paar Fotos zu machen. Und gleich fällt mir wieder ein, warum ich lieber mit Pteppics Frau gefahren wäre: die Fotos. Allein die Batman-Pickerln, die er am Heck seines Motorrades und hinten am Helm kleben hat, machen es einem unmöglich, ihm dicht aufzufahren. Deswegen meint er auch, er sei der König der Landstraßen und schneller als ich. (Iiihihihihi. Na, da bin ich aber schon auf seine Postings gespannt. Anm. d. Frau Lektorin)

Da sagen immer alle, Hubraum kann durch nichts ersetzt werden. Der Herr Pteppic hat den doppelten Hubraum von der Gixxen in seiner Yam. Die Suzi hat Stummellenker, er fährt mit einem Hirschgeweih, dem er ein paar Asteln abgebrochen hat – zumindest wirkt sein breiter Lenker so. Und die durch die gestreckten Arme aktiv werdende Achselhöhlenkühlung ist spätestens beim Wirten ein Gewinn. Von den Pferden her sind wir wohl ähnlich gesattelt.

Dass ich das feschere Eisen habe und der Hübschere von uns beiden bin, brauch ich ja wohl auch nicht zu sagen. Ist dem Pteppic aber auch Hugo, weil er schon verheiratet ist. Und mit was für einer Frau ...

Voll die Tussi ...

Nur, wie der Bursche vor mir seine Yamse ums Eck wirft, ist mir nimmer egal. In fast jeder Kurve streift er mit den Rasten – oder dem, was davon noch übrig ist. Die Gixxen ist da noch lange nicht am Limit. Keine Spur davon, dass irgend etwas am Boden ansteht, während vorne schon alles Funken schlägt.

Na gut, ich rutsche mit meinem Hintern auch stets ein wenig in die Kurve. Das minimiert die Schräglage. Der Pteppic bleibt ja aufrecht am Bock sitzen und legt, vermutlich mit Augen, die schon vorne am Visier anstehen, um. Also müsste ich eigentlich weit schneller sein als er. Ich kann mit der Gixxen weit höhere Kurvengeschwindigkeiten fahren als er, mein Eisen zieht auch um Welten besser als seines – aber warum nur komm ich an ihm nicht vorbei und wird der Abstand sogar manchmal größer? Graut es mir wirklich so vor den Batman-Pickerln?

Wir machen eine kurze Pause. "Hamster Gixxen einen lauten Auspuff spendiert?" fragt der Pteppic. (*seufz* Ich sag jetzt nix. Anm. d. Frau Lektorin) "Nein, hamse nicht! Ist alles original." "Tauschen wir die Eisen?"

Darauf konnte ich mich dann nicht einlassen. Da bin ich schon Tussi genug, auf so einen alten schwarzen Krapfen, wie ihn der Pteppic fährt, gar nicht erst aufzusteigen. Und dann kommt ja noch dazu, dass ich fürchterlich meiern würde, wenn er die geile Gixxen fährt und ich seine Rumpelreiben. "Ah geh, fahr du nur, ich wart inzwischen da und fotografier die Wurstemmeltouristen."

Na, das Gesicht vom Pteppic kannst du dir ja vorstellen. Der kommt mit der Gixxen zurück und lacht wie ein Hutschpferd. Das Loblied auf die Suzuki singen wir gemeinsam. Echt geniale Bremserei. Super leicht zu fahren. Leistung ohne Ende. Mega handlich. Und kein Mensch auf der Welt kann die auf der Straße im Grenzbereich bewegen. So gut fährt niemand. Ein Wunder, was in den Supersportlern heute drinnen steckt. Eine Macht am Ring.

Nur die Orglerei – das ständige Hochdrehen müssen des Motors, um Leistung abzurufen – geht dem Pteppic ein wenig auf die Nerven. Mir hingegen taugt das. Er ist halt das Drehmoment von unten heraus gewöhnt. Wenig schalten müssen ist genau seines. Da kann er sich dann besser auf seine Angst konzentrieren, nehme ich an. Und klar hat er sich bei der Suzuki schon einmal verhakelt, gibt er zu. Aber trotzdem: ein Welteisen.

Nur Fotos haben wir jetzt immer noch keine, ich dafür schon einen Hunger. Also fahren wir auf eine abgesperrte Strecke und fahren ein wenig im Kreis. Ist leichter beim Fotos machen, wenn der Fotograf nicht dauernd nachrennen muss. "Wenn du die Gixxen aufs Knie legst, darfst morgen mit uns Buben mitgehen, einen heben", höre ich den Pteppic noch sagen.

Ich denke an seine Frau, die alleine zu Hause sein wird und versuche krampfhaft, das Kneepad auf den Boden zu bringen. Komisch, dass das heute nicht funktionieren will. Sonst klappt es doch immer. Das kann doch keine Absicht sein? (Text und Fotos: Guido Gluschitsch, derStandard.at, 19.7.2006)