Die Hauptstadt des Piemonts ist 2006 quasi der Wasserkopf der Sportwelt: Olympische Spiele, Titelgewinn und -verlust in der Serie A, Korruptions-Skandal, zum Drüberstreuen WM-Feierlichkeiten. Weitgehend verwischt sind bereits die Spuren der Winterspiele: „Passion lives here“, aber nur mehr als Schriftzug auf mancher Absperrplane an einer der zahlreichen Baustellen. In den überdimensionierten Sportstätten ist die Leidenschaft erloschen, mit dem Ende der Spiele haben sie massiv an Berechtigung eingebüßt. Vielleicht teilen sie in Zukunft das Schicksal des ehemaligen FIAT-Werks Lingotto. Dort wo einst 40.000 Arbeiter an Automobilen schraubten, kann man jetzt Zimmer reservieren und dem Shopping-Spaß frönen. Die Teststrecke auf dem Dach - inklusive Steilkurven - dient heute als Spazierzone mit Blick auf die Alpen.
Der Skandal rund um die kriminellen Machenschaften von Juventus Turin wird effektiv verdrängt: „Campione del mondo“, so und nicht anders steht es immer wieder an die Wände geschmiert. Die italienische Fahne ziert etliche Balkone, man ist Weltmeister und nicht hinterhältiger Betrüger. Und man hat Exit-Strategien an der Hand: Im Restaurant „Urbani“ verkehren gewöhnlich die Juve-Granden, nun hängt ein Trikot des Aufsteigers AC Torino an der Wand, darüber ein demonstratives „Serie A!“ in dicken Lettern.
Den AC hatten sie in Turin ohnehin immer lieber, er schrieb auch eines der größten Dramen der Stadt. Am 4. Mai 1949 kam die gesamte Mannschaft bei einem Flugzeugzeugabsturz ums Leben. Die Spieler waren auf dem Rückflug von Lissabon, die Maschine zerschellte ausgerechnet an der Rückwand der am Berg thronenden Basilica di Superga. Die Gedenkstätte an der Absturzstelle wird seither täglich und fürsorglich herausgeputzt.