Petronell - "Beim Anblick gewisser Bilder des Todes aus aller Welt empfindet man Schrecken, Bestürzung und Mitleid", sagt die italienische Regisseurin Serena Sinigaglia, die für das Welttheaterfestival Art Carnuntum mit der Theatergruppe Atir Milano Euripides' Troerinnen inszeniert hat. "Diese Gefühle müssten eigentlich ausreichen, um den Krieg, alle Kriege abzulehnen, jenseits jeder politischen Vernunft, jenseits jeder hypothetischen Einsicht."

Die Troerinnen erzählen als wohl ältestes Anti-Kriegs-Stück die Gräuel des Kampfes aus der Sicht der Frauen der Besiegten. Sinigaglia stellt mit zusätzlichen Textpassagen aus Homers Kriegsepos Iliasdie Schmerzensschreie und Klagegesänge der Trojanerinnen den Auseinandersetzungen der kämpfenden Männer auf dem Schlachtfeld, der gegnerischen Krieger Agamemnon und Achill gegenüber. Euripides fokussiert in seiner Tragödie den Menschen als zugleich gutes und böses Wesen, das die Göttlichkeit erstmals hinterfragt und sich nicht mehr mit dem Glauben begnügen kann - zu viel Grausames hat es erlebt, als dass es sich unbeirrt religiösen Dogmen unterwerfen könnte.

In die Versklavung

Im Mittelpunkt des Stückes steht Hekabe, einstige Königin Trojas, die - wie alle anderen Zurückgebliebenen - Mann und Söhne verloren hat, ihre Töchter wurden verschleppt. Ihr Enkelsohn Astyanax, die einzige Hoffnung auf Rache, wird in einer dramatischen Szene von den Griechen ermordet - die Chance einer Zukunft Trojas, eines möglichen Herrschers, der den Untergang der reichen und schönen Stadt eines Tages rächen könnte, wird vernichtet.

Die Trojanerinnen sind gefangen, egal ob sie bislang Herrscherinnen oder Dienerinnen waren, ihre Handlungsmacht ist untergraben. Die Herrschaft über ihr Schicksal haben sie an die Griechen verloren, als deren Sklavinnen sie herumgeschubst werden wie Spielzeug, an dem man nach einer Weile die Lust verliert.

Großartiges Theatererlebnis

Zu Recht gilt Serena Sinigaglia als junger, wilder, vor allem aber kompromissloser Regiestar Italiens. Umschreibungen, Verzerrung oder gar Milde kann man von ihr keinesfalls erwarten. Der provokative Riesen-Schock bleibt allerdings auch aus. Dafür kreierte Sinigaglia ein entstellendes Gerangel in Trümmern, bei dem sich das begabte Ensemble hingebungsvoll bis zur Selbstaufgabe entblößt. Maria Spazzi fügt noch ein spartanisches Bühnenbild hinzu, in dem sie den AkteurInnen primär viel Staub und Dreck zum aufreibenden Spiel gibt - weniger ist hier wirklich mehr, und die Rechnung geht in einem großartigen Theatererlebnis auf. (Isabella Hager/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 18.7. 2006)