Berlin/Hamburg - Die Maut für Lastwagen in Deutschland soll ab Jänner 2007 auch auf einige Bundesstraßen ausgedehnt werden. Die EU-Kommission habe grünes Licht für drei Streckenabschnitte gegeben, teilte der deutsche Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Montag in Berlin mit. Die Mauteinnahmen des Bundes seien im ersten Halbjahr um rund sechs Prozent auf 1,49 Milliarden Euro gestiegen. Während der Interessenverband "Allianz pro Schiene" weitere mautpflichtige Streckenabschnitte auf Bundesstraßen forderte, plädiert Hessen für mehr Streckensperrungen für schwere LKW.

Mautpflichtig für Lastwagen sind künftig die Bundesstraße 75 im Süden Hamburgs zwischen den Autobahnen 261 und 253, die Bundesstraße 4 nördlich der Autobahn 23 bis Bad Bramstedt (Schleswig-Holstein) und die Bundesstraße 9 (Rheinland-Pfalz) zwischen der deutsch-französischen Grenze und der Anschlussstelle Kandel-Süd an der Autobahn 65. Insgesamt sei das Problem des Ausweichverkehrs jedoch geringer als zunächst erwartet, erklärte der Minister. Die Länder hätten daher nur diese drei Strecken für die Maut vorgeschlagen.

Einnahmen

In diesem Jahr hätten die Mauteinnahmen des Bundes bereits mehrfach die Vergleichswerte aus dem Vorjahr übertroffen, hieß es weiter. Im Juni lagen die Einnahmen nach Angaben des Ministers bei 256 Millionen Euro. Insgesamt seien inzwischen 515.000 Fahrzeuge mit der On-Board-Unit ausgestattet, 90 Prozent der Fahrten würden automatisch gebucht.

Die "Allianz pro Schiene" begrüßte zwar die geplante Maut auf einigen Bundesstraße. Das Bündnis kritisiert jedoch zugleich, dass die Länder dem Bund lediglich drei Bundesstraßenabschnitte für die Maut vorgeschlagen haben. "Das Problem Ausweichverkehr wird weiterhin verharmlost. Unabhängige Untersuchungen zeigen, dass LKW auf weit mehr Strecken ausweichen. Die Leidtragenden sind die Anwohner", erklärte Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbandes. Den ersten drei Abschnitten müssten bald weitere folgen.

Mehr Fahrverbote

Der hessische Verkehrsminister Alois Rhiel plädierte für mehr Fahrverbote für Lastwagen auf Bundesstraßen, um die Fahrer auf die Autobahnen zu zwingen: "Fahrverbote für LKW-Transitverkehre entlasten die Anwohner an Bundesstraßen wirkungsvoller von Lärm, Abgasen und Erschütterungen als eine LKW-Maut auf Bundesstraßen." In Hessen werde der Umfang der ganztägigen Bundesstraßen-Sperrungen für Lastwagen über 12 Tonnen auf rund 450 Kilometer Länge verdoppelt. Bundesweit gebe es keine vergleichbar weiträumige Sperrung von Bundesstraßen zum Schutz von Anwohnern, erklärte der Minister.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) - kritisierte die in mehreren Ländern geplanten Sperrungen von Straßen für Lkw und Busse als "kurzsichtigen Aktionismus auf Kosten der Wirtschaft". Für Transportunternehmen entstünde ein erheblicher Mehraufwand, weil Lieferanten und Kunden dann schwerer zu erreichen seien, heißt es in einer am Montag in Berlin veröffentlichten Resolution. In Stuttgart gebe es bereits erste Sperrungen, München wolle zum Jahresende folgen. In Berlin sollten sogar moderne Reisebusse aus dem Zentrum verbannt werden. Das Thema Maut-Umfahrer wird nach Ansicht des DIHK völlig überschätzt.

"Totalüberwachung"

Dagegen monierte die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Petra Pau, eine Lkw-Maut auch auf Bundesstraßen verhindere keine Zunahme des Lkw-Verkehrs. Pau erklärte: "Das deutsche Mautsystem birgt die technischen Voraussetzungen für eine Überwachung des gesamten Autobahnverkehrs und damit von Millionen Bürgerinnen und Bürger". Wenn es auf Bundesstraßen ausgeweitet werde, wachse die Gefahr einer Totalüberwachung.

Tiefensee schloss erneut eine Maut für Pkw aus. Dem "dbb magazin" (Juli/August) sagte er: "Die steht nicht zur Debatte". Er halte eine zusätzliche Belastung der Pkw-Fahrer durch eine Maut für "nicht vertretbar".(APA/dpa)