Zur Person

Andreas Zumach ist diplomatischer Korrespondent bei der UNO in Genf und verfolgt seit über 15 Jahren die Entwicklung des Völkerrechts und der internationalen Organisationen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein belgischer Major betrachtet ein Bild auf einem Computer im EU-Operationshauptqartier für den bevorstehenden Kongo-Einsatz in Geltow bei Potsdam.

Foto: AP /Sven Kaestner

Bild nicht mehr verfügbar.

Französische und portugiesische Soldaten bei einer Militärübung in Ndola, dem Flughafen Kinshasas.

REUTERS/David Lewis
derStandard.at: Kann die UN-Truppe im Osten der Demokratischen Republik Kongo zur Stabilisierung dieser Region beitragen?

Zumach: Es gibt punktuelle Erfolge, wie zum Beispiel die Entwaffnung von Kindersoldaten. Ich bezweifle aber, dass die UN-Truppe auf Dauer diese stabilisieren kann. Das hat zum Teil mit dem schwachen Ressourcen der UNO-Truppe zu tun. Zum anderen damit, dass sich ohne eine politische Lösung der Konflikt schwer beenden lassen wird.

Hinter der Fassade der Missionen, sei es die UNO oder die EU-Truppe zur Wahlbeobachtung, gibt es jeweils unterschiedliche Interessen der Nationalstaaten. In der Republik Kongo gibt es vehement Konkurrenzen zwischen Frankreich und USA etwa, nicht zuletzt über die Kontrolle der Rohstoffversorgung. Deswegen können auf dem Papier gemeinsam beschlossene Missionen wie diese durchaus scheitern.

derStandard.at: Welche Rolle spielt die EU-Militäreinsatz bei einer solchen Stabilisierung?

Zumach: Es gibt keinen formalen Beschluss des UN-Sicherheitsrates der sagt, dass es sich um eine militärische Intervention handelt. Als gemeinsames Interesse wurde von allen Seiten artikuliert, dass die Wahlen ohne Probleme verlaufen sollen. Dies ist das politische Interesse, getragen von der gemeinsamen Erkenntnis, dass das nicht von selber passieren wird. Der Sicherheitsrat hat der EU diesen Auftrag gegeben, nachdem Kofi Annan keine Blauhelmtruppe zusammengebracht hat. Es handelt sich daher um kein UN- Mission, wie in Osttimor oder Bosnien. Das macht einen großen Unterschied, da die Befehlsstruktur oder das Kommando der EU-Militärführung unterliegt. Problematisch ist, dass solche Einsätze in Folge immer weniger nach gemeinsamen Standards passieren werden.

Abgesehen davon ist dieser Einsatz völlig unzureichend konzipiert. Er kann fürchterlich scheitern, und dann entsteht natürlich ein Sog, auch als Gesichtswahrungsgründen, mehr Truppen zu schicken. Das muss nicht, aber das kann passieren. Der Einsatz basiert ja auf Annahmen, die nur bei schönem Wetter zutreffen.

Dazu kommt, dass die EU im Zuge ihrer zunehmenden Militarisierung und ihres Aufbaus eigenständiger Handlungsinstrumente danach sucht, sich konkret zu beweisen. Dies ist damit verknüpft damit, dass einige EU-Staaten im Kongo wirtschaftliche Interessen haben.

derStandard.at: Steht das Interesse der EU in Afrika, nicht auch Zusammenhang mit ihrer Flüchtlings- und Asylpolitik?

Zumach: Zumindest wird als Begründung mit angeführt, dass es um Stabilität geht, damit weniger Menschen versuchen, nach Europa zu kommen. Aber wie viele es aus dem Kongo überhaupt versuchen, ist sehr schwer zu registrieren, weil die meisten physisch gar nicht ankommen.

derStandard.at: Die EU will dazu ja auch Flüchtlingslager in Tansania und Tunesien errichten. Kann dies zur Besserung der humanitären Situation der Flüchtlinge betragen?

Zumach: Ich bezweifle, dass das funktionieren wird. Gleichzeitig gibt es ein viel größeres Problem: die Wirtschafts- und Agrarpolitik der EU. Sie führt dazu, dass wir durch Subventionen überproduzieren, die großen Mengen die Preise in die Höhe treiben und Überschüsse teuer und subventioniert einlagert werden. Wenn die Mengen zu groß werden, wird es ein drittes Mal subventioniert und – meist in Afrika - auf den Markt geschmissen. Dort sind die Produkte dann billiger als es die lokalen Bauern erzeugen könnten. Sie kommen um ihre Einkünfte, geben ihre Dörfer, ihre Landwirtschaft auf und ziehen in die Städte. Die Möglichkeit der Staaten, ihre Bevölkerung aus den eigenen Erzeugnissen zu ernähren sinkt. Die wirklichen Probleme sind diese ungerechten Handelstrukturen und Subventionszahlungen. Man kriegt das Problem auch nicht mit militärischer Abschottung weg.

derStandard.at: Untergräbt diese europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik nicht auch die UN- Flüchtlingskonvention.

Zumach: Man macht es de facto unmöglich, dass Menschen überhaupt ihr Land verlassen können, um die Grenzen eines sicheren Aufnahmelandes zu erreichen. So ergeben sich auch die "Erfolgsmeldungen" des deutschen Innenministers, wenn er feiert, dass die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber, verglichen mit den Zahlen bis Anfang 2000, drastisch zurückgegangen sind. Man spielt vor, die Angelegenheit sei erledig. Leider hält man die Menschen nur ein Stück weiter weg. Diesen Staaten werden zum Teil die Vorüberprüfungen überlässen. Das ist rechtsstaatlich höchst fragwürdige. Es gibt dort keine Verfahrenssicherheit mehr, aber auch in Deutschland ist sie nicht mehr wirklich gegeben.

Interview: Christa Hager