Trotz aller gegenwärtig gebotenen Skepsis gegenüber den "Ringkämpfen jede Nacht", wie Franz Kafka die biochemisch angeleiteten REM-Aktivitäten noch poetisch zu umschreiben vermochte, gelang es den Herausgebern Rudolf Habringer und Josef P. Mautner, für ihren Sammelband Der Kobold der Träume namhafte österreichische Schriftsteller und Künstler anderer Metiers - neben Anna Mitgutsch u.a. Margit Schreiner, Eugenie Kain, Monika Wogrolly und Vladimir Vertlib - dafür zu gewinnen, ihre Träume zu erzählen und zu kommentieren.
Selbstverständlich kommen die Autoren-Träumer dabei nicht an Sigmund Freuds monumentaler "Traumdeutung" vorbei. Allerdings verwendet nur Monika Wogrolly dessen manifest-latente Theorie-Terminologie, während es bei den meisten "Traumarbeitern" ein erstaunlich großes Bedürfnis geben dürfte, nicht "jeden Turm als Penis und Wasser in jeder Form als mütterliches Fruchtwasser zu deuten" (Mitgutsch).
Infrage gestellt wird aber nicht nur die penetrante Freud'sche Traumsymbolik, sondern generell die psychoanalytische Deutungshoheit über die verwirrenden Bilder der Nacht. Fast zwangsläufig kehren so "vorwissenschaftliche" Deutungsmuster wieder, in denen der Traum als "Kundgebung höherer Mächte" (Freud) firmierte. Wobei bei dieser Gewinnung an Reflexionsterrain durch den "Rückfall ins Mythologische" das Göttliche wenig überraschend durchs Gesellschaftliche ersetzt worden ist: Josef P. Mautner etwa entdeckt in seinen Träumen Zerrspiegelbilder seines sozialpolitisches Engagements und verfremdete Entsprechungen "der zunehmenden Regression in der Entwicklung der österreichischen Gesellschaft während der neunziger Jahre".
Auch die Träume und Albträume Vladimir Vertlibs sind mit der Zeitgeschichte eng verknüpft, verwandeln seine zehnjährigen Erfahrungen mit Emigration und Fremdsein in surreale Sprach-Bilder, die in lebenskluge Sätze münden: "Man muss sich fallen lassen, um wieder aufstehen zu können." Die Psychotherapeutin Luna Gertrud Steiner wiederum wendet das biblische Propheten-Paradigma, wonach Träume das Schicksal von Völkern vorhersagen, ins Individualistisch-Futurologische, wenn sie meint, dass Träume mitunter künftig gangbare Lebenswege anzeigen. Und der im Wiener Exil lebende serbische Architekt Bogdan Bogdanovic, in dessen Traumprotokoll die Leichen der Balkankriege auf Kinostühlen sitzen, greift ebenfalls auf eine präfreudianische Tradition zurück, wenn er meint, "meine Träume wissen mehr als ich", und in ihnen archetypische Medien am Werk sieht, in denen die Ahnen mit ihm sprechen.