ich liebe den zenit der inkompetenz: er ist der einzige zenit, der leicht erreichbar ist. ja, man erreicht ihn bestimmt, wenn er einem nicht schon in die wiege gelegt wurde. hat man ihn erreicht, kann man seine gesellschaftliche stellung in allen positionen hemmungslos genießen.

man wird zu vorträgen eingeladen, die schon vor dreißig jahren nicht mehr taufrisch waren, in gesprächsrunden zu allen unmöglichen themen. die aufgeworfenen beliebigen oder saudummen fragen können beliebig oder saudumm beantwortet werden.

kraft des zenits ist jede antwort von gewicht. wird man zu einem interview gebeten, und hatmandas glück, dass sich auch der interviewer oder die interviewerin im zenit der inkompetenz befinden, wird das gespräch auf einem schwindelerregend hohen niveau geführt, so dass im zenit allgemeiner jubel ausbricht.

zenitforscher äußern den verdacht, dass es sich beim zenit der inkompetenz nicht nur um ein konstrukt der akademischen welt, sondern um ein ganz gewöhnliches alltagsphänomen handelt, das vielleicht von professoren im ruhestand erfunden wurde, aber von bankern, managern und politikern immer erfolgreicher praktiziert wird. die wichtigsten entscheidungen fallen nur mehr im zenit der inkompetenz. da kann und will ich nicht mehr mitreden. und im vertrauen, es gibt eine eiserne regel in der klasse der zeniter, man darf nie zugeben, etwas nicht zu wissen. (Friedrich Achleitner/ DER STANDARD, Printausgabe vom 15./16.7.2006)