Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Fäßchen Bismarckheringe bekam George W. Bush in Stralsund geschenkt. Und er weiß auch, wie man sie isst. Gastgeberin Angela Merkel scheint es ihm zu glauben.

Foto: AP /Heribert Proepper
Auf dem Weg zum G-8-Gipfel macht George Bush bei Angela Merkel in deren Wahlkreis Station. Die deutsche Bundeskanzlerin sorgt dabei für DDR-Nostalgie: Nur wer Bush gewogen ist, bekommt ihn live zu sehen.

*****

Am Donnerstagmorgen hat Olaf Micheel auf der idyllischen Terasse seines Gasthofes "Zu den Linden"noch einiges zu tun. Dort ein letztes Unkraut gerupft, da eine Tischdecke gerade gezogen. Schließlich kommt in einigen Stunden der mächtigste Mann der Welt, um ein von Micheel persönlich erlegtes und gegrilltes Wildschwein zu verspeisen.

"Das ist das Nonplusultra. Als ich vor sechs Wochen den Anruf mitten im Mallorca-Urlaub bekam, dachte ich zuerst, die wollen mich verkackeiern", sagt Micheel zum Standard. Doch das Bundeskanzleramt meinte es ernst und erklärte, Merkel wolle Bush das Vorzeige-Gasthaus und den Vorzeige-Ossi Micheel präsentieren.

Der 37-Jährige hat kurz nach der Wende seinen Job in der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) "Rotes Banner"verloren. Anstatt zu jammern und zu klagen, machte er sich flugs selbstständig und leitet nun ein gut gehendes Wirtshaus, das dank des Bush-Besuchs in Mecklenburg-Vorpommern schon so bekannt ist wie das Sacher in Wien. Eine Art amerikanischer Traum in Trinwillershagen also.

Obwohl Micheel zum Gelingen des Abends Jagdhornbläser bestellt hat und sehr stolz ist, nun einen Flaschenöffner mit Emblem des Weißen Hauses zu besitzen, ist er doch um eine kleine Distanzierung bemüht: "Bei Irak und Guantánamo kann man durchaus geteilter Meinung sein. Aber wir Ostdeutschen verdanken halt den Amerikanern auch die Wiedervereinigung.

"Dieses Einerseits-andererseits zieht sich durch den Busch-Besuch wie ein roter Faden. Viele in Stralsund und Trinwillershagen kritisieren Bushs Politik. Aber dass er ausgerechnet zu ihnen kommt, finden sie doch irgendwie gut - obwohl 12.500 Polizisten das leichte Sommer-Feeling doch etwas erschweren.

30 Kilometer weiter östlich, in Stralsund, steht Margarethe Stange um neun Uhr vor der ersten Polizeikontrolle vor der Altstadt. "Ich mag den Bush ja nicht so", sagt auch die resolute Fremdenführerin. "Sehen will ich ihn aber doch, das gebietet die Höflichkeit", meint sie und kramt in der Handtasche nach ihrer Einladung. Mit 999 anderen Bürgern ist sie ausgewählt worden, Bushs Erscheinen auf dem Marktplatz live zu erleben. Die Gäste sind mehrheitlich von der CDU, um Merkel peinliche Anti-Bush-Rufe zu ersparen.

Bussi links, Bussi rechts

Kurz vor zehn rumpelt die gepanzerte Limousine auf dem Kopfsteinpflaster daher. Ein Sinnbild für die Visite: Bush zu Besuch in einer anderen Welt. Doch der Präsident und seine Frau Laura sind begeistert. Bussi links, Bussi rechts für "Ändschela", dann gehen Merkel und Bush noch ein paar Hände schütteln.

Dann dankt der Gast für die Einladung: "Aus dieser Region ist eine hervorragende Bundeskanzlerin hervorgetreten. Ich bin sehr stolz, Sie einen guten Freund nennen zu können. Ich lege Wert auf Ihre Meinung."Merkel strahlt, und Bush legt noch eins drauf: "Gemeinsam können wir viel erreichen, wenn Amerika und Deutschland Seite an Seite stehen."

Auch bei der Pressekonferenz und beim Mittagessen demonstrieren die beiden Herzlich- und Einigkeit. Bevor Bush am Abend in seinen Helikopter steigen kann, um zum Wildschwein und 50 weiteren "einfachen", garantiert antikommunistisch eingestellten Bürgern zu gelangen, muss er noch ein Gotteshaus ansehen. Ausgewählt hat man die Nikolaikirche. Schön wäre auch die Marienkirche gewesen. Doch dort liegt eine Grabplatte aus dem Jahr 1744, deren Inschrift präsidentiellen Besuch unmöglich machte: "George Busch und seinen Erben". (Birgit Baumann aus Trinwillershagen/DER STANDARD, Printausgabe, 14. Juli 2006)