Derzeit ist die Hisbollah der große Gewinner der Konfrontation zwischen Israel und dem Libanon: Zu dieser Einschätzung gelangt die International Crisis Group (ICG), ein Thinktank mit Sitz in Brüssel.

Seit dem israelischen Abzug aus dem Südlibanon vor sechs Jahren - der als Triumph der Schiiten-Miliz gefeiert wurde - sei die Kritik an der Hisbollah unter den Sunniten und Christen im Libanon stetig gestiegen, sagt der Libanon-Experte des ICG, Patrick Haenni. "Die Hisbollah, die nur Befehle aus Teheran entgegennimmt, galt als arrogant. Zudem hat der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten im Irak auch die Lage hier angefacht. Aber das ist jetzt alles vorbei. Nach der Entführung der israelischen Soldaten unterstützt jeder die Hisbollah", sagt Haenni. Die Hisbollah hätte auch den Weg aus ihrer "Sinnkrise"gefunden: Nach dem Abzug Israels habe die Gruppe ihre Funktion als Widerstandsbewegung verloren. "Jetzt kann sie sich das wieder aufbauen", sagt Haenni, den der Standard telefonisch in Beirut erreichte.

Aber weder diese innenpolitischen Erfolge noch die Solidarität mit den Palästinensern seien die Motive für die Entführung der Soldaten gewesen. "Diese Operation wurde schon seit Anfang des Jahres geplant, mit dem Ziel, die eigenen Gefangenen von Israel freizupressen", ist Haenni überzeugt. (szi/DER STANDARD, Printausgabe, 14.7.2006)