Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Auch vom Paradies hatte er eine eigenwillige Vorstellung: "Man ist immer nur unterwegs. Der Mensch ist nicht gemacht, um im Paradies zu leben. Er ist gemacht, auf dem Weg zu sein, in der Mühe, im Kampf, in der Herausforderung aller seiner Kräfte, das ist sein Paradies", schrieb Fred Wander im Roman Ein Zimmer in Paris.

Auf den Weg gemacht hatte er sich sehr früh. Bereits im Alter von 14 Jahren verließ er, damals noch Fritz Rosenblatt, seine Eltern - der Vater ein jüdischer Handelsvertreter, die Mutter eine jüdische Flickschneiderin -, die Schule und begab sich auf Wanderschaft. Eine Identität, die er später durch eine Namensänderung zum Ausdruck brachte.

Fred Wanders Weg durch das zwanzigste Jahrhundert allerdings umfasste die schrecklichsten Stationen, die dieses zu bieten hatte: Bereits 1939 wurde er 22-jährig - nach einem Jahr der Emigration in die Schweiz und nach Frankreich - in Paris interniert. Seine Versuche, ein Einreisevisum für die USA zu erhalten, waren alle gescheitert.

Drei Jahre lang - von 1942 bis zum Ende des Krieges - überlebte er in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald. Seine Eltern und seine Schwester fanden dort den Tod.

1945 kehrte er nach Wien zurück, beobachtete als Fotograf und Journalist die Entwicklung Österreichs während der Nachkriegsjahre.

Kleinmachnow

Eine weitere entscheidende Wende brachte der erste Lehrgang des Instituts für Literatur "Johannes R. Becher"in Leipzig Mitte der Fünfzigerjahre, in dem Wander als einziger Österreicher aufgenommen wurde. Drei Jahre später übersiedelte er mit seiner Frau Maxie Wander endgültig in die DDR, nach Kleinmachnow bei Berlin. Beide, um dort als freischaffende Schriftsteller zu leben - und als österreichische Gäste in der Fremde.

Seinen Durchbruch als Autor erlebte Wander 1971 im Alter von 54 Jahren, mit dem Erscheinen von Der siebente Brunnen, jenem Roman, der bis heute als sein Hauptwerk gilt - und als eines der wichtigsten literarischen Werke über die Shoa. Der er sich - auf diese Unterscheidung legte er großen Wert - nicht als Zeitzeuge genähert hatte, sondern als Erzähler.

Denn nicht die erlebten Gräuel, nicht die Organisaton des Lagerlebens zu schildern schrieb er das Buch, sondern in der Erinnerung an Tote. An Opfer, an konkrete Menschen, die er in den Jahren im KZ kennen gelernt hatte.

Ihre Lebenserinnerungen, die sie sich gegenseitig erzählt hatten, um sich ihrer eigenen Identität jenseits von Demütigung und Leid zu versichern, schrieb er auf. Der siebente Brunnen ist daher auch das Buch des Mendel Teichmann, des türkischen Juden Tschukran und anderer, deren Namen und Lebensgeschichte Fred Wander dem Vergessen entreißt.

Die Bewahrung der Menschlichkeit selbst in der größten Bedrohung ist eine der Fragen, die Fred Wander in allen seinen Büchern bewegte. Ihren Möglichkeiten, ihrer Kraft nachzuspüren war der Weg, den er ein Leben lang verfolgte. Unsichere Durchgangsstationen auf der Flucht im Exil, das Hotel Danton in Ein Zimmer in Paris, das Hotel Baalbeckim gleichnamigen Roman, dienten ihm als Schauplätze eines gefährdeten Lebens.

Fred Wander selbst kehrte 1983, sechs Jahre nach dem Tod von Maxie Wander, mit seiner dritten Frau Susanne Wedekind nach Wien zurück, wo er am Montag in seiner Wohnung starb. (Cornelia Niedermeier/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.7.2006)