Moskau - Es ist Russlands Woche schlechthin. Zum dritten Mal in seiner Amtszeit empfängt Präsident Wladimir Putin eine illustre internationale Runde. Die Staats- oder Regierungschefs der sieben größten Industriestaaten kommen am Wochenende auf Einladung des achten Klubmitglieds, das heuer erstmals den Vorsitz führt, nach St. Petersburg.

Die Woche hätte besser nicht beginnen können. Nach über zehn Jahren Jagd hat Russland seinen Oberterroristen Schamil Bassajew zur Strecke gebracht. Als Sensation konnte man zuvor auch ankündigen, dass die USA mit Russland über eine erstmalige Zusammenarbeit bei ziviler Atomtechnik beraten. Und als historischen Meilenstein will man in St. Petersburg die Diskussion über globale "Energiesicherheit"eröffnen.

Umso gereizter hat die Staatsführung auf die "Gegenkonferenz"reagiert. Unter dem Titel "Das andere Russland"findet diese seit Dienstag bis heute, Mittwoch, in Moskau statt. Als Organisator tritt der "Allrussische Bürgerkongress"auf, ein Zusammenschluss von oppositionellen Geistern wie dem Schachweltmeister Gary Kasparow oder der Vorsitzenden der Helsinki-Föderation, Ljudmila Alexejewa. Um der Welt ein ungeschminktes Russland mit den "realen russischen Problemen"und die Existenz einer Zivilgesellschaft zu zeigen, versuchten die Veranstalter wenigstens einen zweitägigen Zusammenschluss der ansonsten stark zersplitterten Oppositionskräfte. Letztlich blieben an nennenswerten Figuren nur der ein politisches Comeback anstrebende Expremier Michail Kasjanow und Putins in Ungnade gefallener ehemaliger Wirtschaftsberater Andrej Illarionow übrig.

Verprügelt

Dutzende regionale Delegierte wurden laut Kasparow entweder vom Geheimdienst FSB an der Anreise gehindert oder von Unbekannten verprügelt. Außerdem sagten einige Oppositionsparteien kurzfristig ab und verboten ihren Mitgliedern die Teilnahme. Die nationalistische "Rodina"schloss ihren besten Ökonomen Michail Deljagin aus, weil er teilnehmen wollte. Die Kommunisten zogen zurück. Die sozialliberale "Jabloko"von Grigori Jawlinski sagte erst gar nicht zu, ihre Schwesterpartei, die wirtschaftsliberale SPS, letztlich ab.

Als Grund geben Oppositionelle und Beobachter an, dass sich die bunten Parteien gegen ein Zusammenpferchen unter einer Marke wehren. Die Organisatoren und etwa Deljagin sehen dahinter ganz klar die Hand des Kremls, dessen Unmut in Zeiten wie diesen niemand gern auf sich ziehe. Selbst ein "unerschrockenes"Hotel für die Konferenz sei schwer zu finden gewesen, heißt es.

Putins G-8-Beauftragter Igor Schuwalow hatte schon vor einer Woche die G-7-Staaten gewarnt, Russland würde eine Teilnahme ihrer Vertreter als "nicht freundschaftliche Geste"werten. Im Unterschied zur russischen Opposition schreckten die G-7 aber nicht zurück. Man wolle mit der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Russland "reicher, stärker und freier machen", sagte der britische Botschafter Anthony Brenton auf der Konferenz. Diese wird von der Open Society und dem National Endowment for Democracy finanziert. Gegen ausländische Finanzierungen war vor Kurzem ein restriktives NGO-Gesetz erlassen worden. Putin hatte es letzte Woche verteidigt, jedoch Korrekturen bei Härtefällen versprochen. (sed, DER STANDARD, Print, 12.7.2006)