Wien - Bevor der Nationalrat in dieser Woche sein Arbeitsjahr beendet und sich in die Sommerpause begibt, nutzte der Bundessprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, am Dienstag die Gelegenheit einer Pressekonferenz, Bilanz zu ziehen und zu einer Rundumkritik an der Regierungskoalition auszuholen. "Es ist unübersehbar, dass diese Regierung inhaltlich am Ende ist", resümierte der Grüne.

Als Beweis zog er das seiner Meinung nach gegebene "Managementchaos in wichtigen Fragen der Republik", wie etwa in der Ortstafel-Debatte oder beim "Herumeiern um den Wahltermin" heran. Dieses "Herumeiern" um den Urnengang werde immer grotesker, wetterte Van der Bellen. Es würden Verhandlungen vorgetäuscht, die "mit uns nie stattgefunden haben", sagte er mit Blick auf das Plädoyer Wolfgang Schüssels (V) , der sich zuletzt für eine von allen Parlamentsparteien getragene Einigung auf einen Wahltermin ausgesprochen hatte.

1. Oktober bevorzugt

Der Grüne Parteichef betonte wiederholt, dass er den frühestmöglichen Wahltermin favorisiere - bevorzugt den 1. Oktober. "Wir akzeptieren aber auch den 8. oder den 15. Oktober".

Ein weiterer Punkt in Sachen Nationalratswahl stieß beim Grünen Bundessprecher auf Hohn: Das vom ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka vorgeschlagene Fairnessabkommen. "Das kann ja wohl nur ein Scherz sein", kommentierte Van der Bellen. Wenn Lopatka fordere, dass die Wahlkampfkosten offen gelegt werden und "dann im Ernst behauptet, die ÖVP hätte lediglich sieben Millionen Euro zur Verfügung, kann ich nur sagen: Da lachen ja die Hühner". Damit könnten allenfalls die Kosten der vergangenen vier Wochen gemeint sein, glaubt der Grüne, der sein eigenes Wahlkampfbudget mit knapp vier Millionen - einschließlich der Bundesländer - beziffert. Ein wahres Fairnessabkommen müsste außerdem laut Van der Bellen mit einer Reform des Parteienfinanzierungsgesetzes einhergehen, nämlich in Richtung einer Offenlegung aller Parteispenden.

Das unübersehbare Ende der Regierung in inhaltlichen Fragen sah Van der Bellen schließlich auch darin gegeben, dass Justizministerin Karin Gastinger (B - der Name war dem Parteichef vorübergehend entfallen, konnte aber mit Einflüstern seines Pressesprechers wieder gefunden werden) mit ihren Vorschlägen "zu einem halbwegs modernen Familienrecht gescheitert ist".

Hinsichtlich des morgigen Plenartags kündigte Van der Bellen einen Einspruch gegen die Tagesordnung an: Der Grüne Antrag auf Änderung des ORF-Gesetzes, mit dem eine geheime Wahl der Generaldirektion sowie der Landesdirektoren nach einem öffentlichen Hearing erzielt werden soll, sollte den Abschluss des ersten von drei Plenartagen bilden. Er ist als Top 20 vorgesehen - Van der Bellen will eine Vorverlegung erwirken.

SPÖ präsentiert "Bilanz des Schreckens" der Regierung

Mit einer "Bilanz des Schreckens" zog SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures am Dienstag bei einer Pressekonferenz erneut gegen die Bildungs- und Sozialpolitik der schwarz-orangen Regierung zu Felde - und nutzte gleich die Gelegenheit, um das Alternativprogramm ihrer Partei zu präsentieren. So soll eine große Schulreform "Herzstück der nächsten Legislaturperiode" sein, auch die Jugendarbeitslosigkeit will die SPÖ senken.

Drei Schadensfälle hätten ÖVP und BZÖ laut Bures zu verantworten: Die hohe Anzahl Beschäftigungsloser, "völliges Versagen in der Bildungspolitik" sowie zu geringe Pensionen. "Die Bilanz würde eine Pressekonferenz sprengen", legte Bures nach, den Verantwortlichen in der Regierung warf sie Zynismus und die Verwendung statistischer Tricks vor.

Bures verägert

Verärgert reagierte Bures auf die beim ÖVP-Presseheurigen vergangene Woche gestreuten Gerüchte, Geld könnte über geheime Stiftungen vom ÖGB zur SPÖ geflossen sein. "Wir halten uns auf Punkt und Beistrich an die Regelungen", sagte sie bei einer Pressekonferenz, die SPÖ sei durch Einsparungen schuldenfrei. Der von der ÖVP vorgelegte Entwurf für ein Fairnessabkommen zum Wahlkampf sei anscheinend "das Papier nicht wert".

"Die ÖVP patzt lieber an anstatt aufzuklären", machte sich Bures Luft über die angeblich stattgefundenen Gespräche beim Sommerheurigen der ÖVP, kolportiert durch Tageszeitungen. Würde die Regierung den "Kriminalfall BAWAG" tatsächlich aufklären wollen, wäre auch einem von der SPÖ vorgeschlagenen Bankenuntersuchungsausschuss grünes Licht gegeben worden. Durch die Sanierung der Parteifinanzen habe die SPÖ außerdem bewiesen, "dass wir gut wirtschaften können", so Bures. Große Kampagnen stünden allerdings derzeit nicht auf der Tagesordnung, im Zuge des Sparkurses suche man stattdessen das direkte Gespräch. Bures: "Das ist zwar arbeitsaufwändig, aber günstiger."

Bures spielte den BAWAG-Ball an die Gerichte weiter und appellierte an Justizministerin Karin Gastinger (B), für Aufklärung zu sorgen. Auch Lorbeeren gab es für die BZÖ-Ministerin, diese hebe sich "in einigen Punkten wohltuend" von anderen Regierungsmitgliedern ab. Etwa beim nun von der ÖVP abgelehnten Familienpaket: "Hut ab, diese Frau hat Mut", so Bures.

BZÖ: "Schlichtweg falsch"

Als "schlichtweg falsch" bezeichnete am Dienstag BZÖ-Sprecher Uwe Scheuch die Kritik von SPÖ und Grünen an der Regierungspolitik. "Wir haben im Sozialbereich wieder gut gemacht, was die SPÖ in den neunziger Jahren den Menschen angetan hat", zog er in einer Aussendung seine eigene Bilanz der schwarz-orangen Arbeit. Der SPÖ warf er "billige Täuschungsmanöver" vor, um vom "ÖGB/BAWAG-Debakel" ablenken zu können. (APA)