"Wir wollten länger in der Unterwelt bleiben, ihre Kreativität erforschen. So hat alles begonnen: Literatur, Dante, plus unsere Leidenschaft für Beethovens Fünfte."

Foto: ImPulsTanz/ ©ÊBasil Childers
Emio Greco und Pieter C. Scholten haben drei Stockwerke eines jener netten, schmalen Amsterdamer Häuschen gekauft, deren schmale, extrem steile Treppenhäuser jeden Fehltritt zur Höllenfahrt ausweiten können. Die Stufen sind flammend orange gestrichen. Geübte erreichen das Besprechungszimmer im zweiten Stock ohne Todesangst.

Greco hat sich einen dichten schwarzen Vollbart wachsen lassen, und Scholten trägt legeres Grau. Es ist heiß in Amsterdam. Wann kam das Thema "Hölle" für das neue Stück der beiden auf? "Während unserer Arbeit an der Oper Orfeo ed Euridice vor zwei Jahren", sagt Greco. "Doch da waren wir nicht ganz frei, unsere eigene Hölle zu erforschen."

Scholten: "Wir wollten länger in der Unterwelt bleiben, ihre Kreativität erkunden. So hat alles begonnen: Literatur, Dante, Sartre, plus unsere schon seit Längerem bestehende Leidenschaft für Beethovens Fünfte, die ja zu dieser Literatur passt." Im Dezember 2005 luden sie eine Gruppe junger Theaterleute ins Amsterdamer Gasthuis ein (wo schon Jérôme Bel die Anfänge seines großen Werks The Show Must Go On! entwickelt hat), um mit ihnen gemeinsam über Dante zu reflektieren. "Unsere Aufgabe war es dann", so Greco, "das literarische Material in körperliche Zustände zu übersetzen. Also nicht nur über die Repräsentation zu arbeiten."

Dantes Mathematik

Wie hat sich die Struktur des Dante'schen Inferno in das Stück eingeprägt? "Es ist nur die Vorstellung der Höllenkreise geblieben, die es in Hell ja auch gibt." Scholten: "Wir haben uns auch mit der Mathematik beschäftigt, in die Dantes Inferno eingebettet ist." Die Bewohner dieser Unterwelt sind die Tänzer Ty Boomershine, Vincent Colomes, Sawami Fukuoka, Nicola Monaco, Suzan Tunca sowie die Nachwuchstalente Marta Lopes und Marie Sinnaeve mit Emio Greco. Alle waren aufgefordert, Dante zu lesen, und wurden wöchentlich mit der Frage konfrontiert: "Was ist die Hölle für euch?"

Jan Fabre sowie unter anderem der Kritikerin Irene Filiberti oder dem Autor Stephen Greco wurde dieselbe Frage gestellt. Denn EG / PC haben mit dem Stück Hell auch das Magazin Hell produziert, mit Texten und einem grafischen Design von Katja van Stiphout. "Dieses Magazin zu machen war auch die Hölle", seufzt Scholten.

Man kann das A5-Hochglanzheftchen von vorne und von hinten aufklappen. In der Mitte ist eine Werbeanzeige für ein Parfum abgedruckt: "EG / PC - Extremalism". Was soll das bedeuten? "Das ist ein Projekt, das ich schon seit vier oder fünf Jahren verfolge", bekennt Scholten. "Ich kämpfe darum, dieses Parfum auf den Markt zu bringen, was sehr schwierig und teuer ist. Aber intuitiv finde ich es richtig, dass eine Tanzcompany mit einem Parfum auftritt." Die Werbung existiert schon, auf den "extremalistischen" Duft muss noch gewartet werden.

Ist das Parfum ein Kunstwerk? "Es ist ein sehr konkreter virtueller Prozess", erklärt Greco. "Und es bricht die Erwartungen, die an eine Tanzcompany gerichtet sind."

Ende Juli beginnen EG / PC mit den Proben für die Oper The Assassin Tree des jungen schottischen Shooting Stars Stuart MacRae.

Ein weiterer Schritt in ihrer Arbeit mit neuer Musik, die sich bisher auf die Kooperation mit Hanspeter Kyburz konzentriert hat. "Von der Musik ist mehr zu lernen als vom Theater", meint Scholten. "Das Theater beherrscht ja auch total das Wissen des Publikums darüber, wie man auf Tanz zu schauen hat." Für den Tanz ist diese Hegemonie - höllisch. (ploe /SPEZIAL/ DER STANDARD, Printausgabe, 11.7.2006)