Wien – Die Vorgangsweise hat Tradition: Wenn der ÖVP ein Thema zu heiß wird, verräumt sie es ganz gerne in eine "Arbeitsgruppe". So geschah es letzten Sommer mit der so genannten "Homo-Ehe".

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Auch zum innerhalb der Konservativen ähnlich kontroversiell diskutierten Thema "Patchworkfamilien" wird demnächst eine schwarze Nachdenkrunde tagen. Anders als ihre Vorgängerin zur "Homo-Ehe" soll sie ihr Thema aber nicht begraben, sondern am Leben erhalten.

"Wir wollen uns der Frage Blutsfamilie und soziale Familie weiter widmen", erklärt die ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek, "und natürlich hoffen wird, dass unsere Überlegungen ins Wahlprogramm einfließen". Iniitiert wurde die Gesprächsrunde von den Wiener Frauen, der Wiener ÖVP und den OAAB-Frauen – also traditionell eher progressiven Parteiteilen.

Wiens ÖVP-Chef Johannes Hahn war einer der ersten Landespolitiker, der sich offen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften aussprach. Er hat in Wien allerdings auch ein eher urbanes Wählerpublikum zu bedienen. Als ähnlich aufgeschlossen gelten etwa Frauenministerin Maria Rauch-Kallat und Lebensminister Josef Pröll, der zuletzt überhaupt Gefallen an seiner Rolle als urbaner Konservativer gefunden zu haben scheint. Kanzler Wolfgang Schüssel hingegen hält die klassische Ehe hoch. Auch, dass er als Kind in einer Patchworkfamilie aufgewachsen ist, die freilich damals noch nicht so hieß, wird immer wieder als Begründung angeführt.

Identitätspflock Ehe

Auch in anderen Teilen ihrer Partei sieht Brinek durchaus auch "Wirklichkeitsignoranten" am Werk. "Wenn 50 Prozent der Betroffenen eine neue Lösung brauchen, kann ich nicht mit Ausnahmeregelungen arbeiten", argumentiert sie. "Wir müssen Gesetze für diese Welt machen." Die klassische Ehe wird aber vor allem unter den ländlichen ÖVP-Funktionären nach wie vor hochgehalten. Auch wenn die Realität längst das Gegenteil bewiesen hat, dient sie nach wie vor als einer der zentralen ideologischen Identitätspfeiler.

Interne Stimmungstest haben den schwarzen Strategen außerdem gezeigt, dass bei ihren Funktionären in ländlichen Gebieten das Verständnis für familienideologische Aufweichungen äußerst gering ist. Gerade im Wahljahr muss die ÖVP ihr Profil wieder schärfen. Da wird sie jene Parteihelfer, die die konservative Lufthoheit am Lande sichern sollen, nicht verstören wollen. (Barbara Tóth/DER STANDARD, Printausgabe, 11.7.2006)