Wien - Zwei Jahre Elternteilzeit, Anlass für Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer (AK), deren Umsetzung unter die Lupe zu nehmen. Fazit: Beim "an sich akzeptablen Gesetz" würde es vor allem in der Praxis hapern, bei vielen Unternehmen würden Teilzeitwünsche nach wie vor auf heftigen Widerstand stoßen, lautete der Tenor von ÖGB-Vizepräsidentin Renate Csörgits und AK-Sozialexperte Christoph Klein bei einer Pressekonferenz am Montag.

Interessen der Arbeitgeber

"Offenbar werden bei der Familienteilzeit die Interessen der Arbeitgeber stärker durchgesetzt, als jene der Arbeitnehmer", lautete das Resümee von Csörgits. Hauptkritikpunkt von ÖGB und AK ist nach wie vor die Bindung der Elternteilzeit an die Dauer des Bedienstetenverhältnisses von mindestens drei Jahren, sowie an die Größe des Betriebes, welcher mindestens 20 ArbeitnehmerInnen beschäftigen muss. Diese Kriterien müssen fallen, fordern nun ÖGB und AK.

"Flexible Verschubmasse"

Ein weiterer Stolperstein für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen wollen: Die Einstellung der Arbeitgeber selbst zum neuen Gesetz. So würden viele Unternehmen diese spezielle Teilzeitregelung als "flexible Verschubmasse" im wenig qualifizierten Bereich ansehen, Führungskräfte hätten wenig Chance, als Teilzeitkräfte weiter in dieser Position zu arbeiten. Stattdessen versuche man, das Gesetz immer wieder durch einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu umgehen, meinte Klein. Diesen "gefinkelten Ausweichstrategien" könnte etwa mit Hilfe einer gesetzlich verankerten Überlegungsfrist entgegengewirkt werden.

Ein weiteres Mittel, einen "Kulturwandel" zu bewirken, könnte laut Csörgits eine "erzwingbare Betriebsvereinbarung" sein, die den/die ArbeitnehmerIn aus der Schusslinie bringen soll. Und auch auf gerichtlicher Ebene gebe es nach wie vor Defizite, obwohl mittlerweile der Arbeitgeber einen Prozess anstreben muss und nicht der/die Bedienstete selbst sein Recht einklagen muss. So sollte in Zukunft schon bei laufenden Gerichtsverhandlungen das beantragte Arbeitsmodell für die Eltern gelten, so die zusätzliche Forderung von ÖGB und AK. Weiters sollen RichterInnen nicht gezwungen sein, "zwischen A und B zu entscheiden", sondern auch Kompromisslösungen festlegen können, meinte Klein.

Informationskampagnen

Den "Kulturwandel" wollen auch die Sozialpartner durch Informationskampagnen mitbewirken. So rät Csörgits, dass Ansuchen um Elternteilzeit schriftlich und früh genug gestellt werden sollten. Auch beim Kindergeld blieben etliche Fragen offen, so etwa jene der Zuverdienstgrenze, die "so kompliziert ist, dass sich viele Familien überhaupt nicht auskennen". An und für sich sei man aber "zufrieden" mit dem zwei Jahre alten Gesetz, das man als "junge Pflanze in der Wüste" betrachte, die nun nicht nur gegossen, sondern auch gedüngt werden müsse.

Regierungsparteien verteidigen Gesetz

Die Regierungsparteien ÖVP und BZÖ verteidigten in Aussendungen das vor zwei Jahren beschlossene Gesetz als "wichtigen Beitrag" zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Andere Töne kamen hingegen von den Grünen, der Industriellenvereinigung und dem Frauenring, diese sprachen vor allem von "Hürden" für junge Eltern.

Bei ÖVP-Familiensprecherin Ridi Steibl stößt die ÖGB-Kritik an der Umsetzung auf Unverständnis. Sie wirft Vizepräsidentin Renate Csörgits und den SPÖ-Frauen Zick-Zack-Argumentation vor: "Hört man sonst immer nur, dass Teilzeit eine Falle für Frauen sei, spricht Csörgits heute von großem Interesse an eben dieser." Unterstützung erhielt die ÖVP am Montag durch Koalitionspartner BZÖ: "Die heute geäußerte Kritik an der Elternteilzeit durch AK und ÖGB beweist ja, dass wir familienpolitisch auf dem richtigen Weg sind", ließ Familiensprecherin Elke Achleitner verlauten.

"Ein paar gravierenden Hürden, die beseitigt werden müssen" sieht hingegen die Grüne Familiensprecherin Sabine Mandak, welche die Erfordernisse der dreijährigen Betriebszugehörigkeit sowie der Betriebsgröße von über 20 MitarbeiterInnen kritisierte. Die rechtliche Ausgestaltung sei außerdem "nicht Fisch, nicht Fleisch", ansonsten bezeichnete Mandak das Gesetz als "eine der wenigen Regierungsmaßnahmen ist, die Eltern wirklich etwas bringen könnte".

Industriellenvereinigung sieht "unlösbare organisatorische Probleme"

Für die Industriellenvereinigung (IV) ist die derzeitige Situation "beunruhigend". Laut Wolfgang Tritremmel, Bereichsleiter für Arbeit und Soziales, sind Industrieunternehmen über die gesetzlichen Bestimmungen zur Elternteilzeit besorgt. Vor allem Unternehmen mit einer großen Zahl an weiblichen Mitarbeiterinnen, die teilweise bereits schon in Elternteilzeit sind, würden die momentane Entwicklung im Zusammenhang mit zum Teil unlösbaren organisatorischen Problemen als beunruhigend empfinden.

"Eine Reihe von Stolpersteinen" birgt das Gesetz auch für den Österreichischen Frauenring. Eine umfassende Reform sei daher unumgänglich, forderte die Vorsitzende, Sabine Oberhauser, via Aussendung. "Wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht weiter nur ein Schlagwort bleiben soll, muss endlich eine sinnvolle und praktikable gesetzliche Grundlage geschaffen werden". (APA)