Im sächsischen Jena traf sich im Jahr 1896 eine Hand voll Fußballbegeisterter und fasste einen Beschluss, der zu einer völligen Fehlentwicklung dieses schönen Sports führen musste: Man einigte sich auf die sog. "Jenaer Regeln", deren zentrale Bestimmung festlegte, dass auf deutschen Fußballplätzen sich innerhalb der Spielfeldbegrenzung künftig keine Bäume oder Sträucher mehr befinden dürfen. Punktum!

Man war sich wohl nicht im Geringsten darüber im Klaren, was das für die Weiterentwicklung dieses damals noch sehr jungen Sports bedeuten musste und machte sich hurtig ans Fällen und Roden. In der Folge wurde innerhalb der Outlinien nicht einmal mehr die kleinste Himbeerstaude geduldet und mit deutscher Gründlichkeit jeder Maulwurf des Platzes verwiesen.

Man stelle sich vor, was aus diesem Sport ohne den verhängnisvollen Beschluss von Jena hätte werden können: Jedes Fußballfeld ein Juwel an unverwechselbarer Vegetation! Der Heimvorteil - nicht bloß eine Frage des lauteren Gegröhle der Fans, sondern der intimen Kenntnis der jeweils platzeigenen Pflanzenwelt. "Wetten, dass ...?" - Kandidaten, am Geschmack eines Apfels erkennen können, ob dieser in Camp Nou geerntet wurde oder in San Siro ... Und wer weiß, wie diese WM ausgegangen wäre, wären David Beckham bei seinen angeschnittenen Flanken Holunder- oder Fliederbüsche zur Seite gestanden. Oder hätte ein Miroslav Klose sich beim Lauern auf den "tödlichen" Pass im gegnerischen Strafraum hinter einem Nussbaum verstecken können.

Und schlussendlich stünde auch die österreichische Nationalelf wohl um einiges zukunftsträchtiger da, wenn der Fußball wieder "naturbelassener" wäre: Wir könnten unsere EM-Begegnungen dann auf leicht abschüssigen Feldern austragen - ist doch bekannt, dass wir nur dort erfolgreich sind, wo's bergab geht. (DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 10. Juli 2006)