Die Entführung des 43-jährigen Ägypters Abu Omar aus Italien weitet sich zur Staatsaffäre aus. Der Imam einer Moschee in Mailand war im Februar 2003 auf offener Straße von einem CIA-Kommando in ein Auto gezerrt und in den US-Stützpunkt Aviano gebracht worden. Von dort wurde der ägyptische Fundamentalist mit einer CIA-Maschine nach Ramstein und anschließend nach Kairo geflogen, wo er seitdem im Haft sitzt. Nach Angaben seines Anwalts Montasser El Zedat, der den italienischen Staat auf zehn Millionen Euro Wiedergutmachung verklagen will, wurde Omar schwer gefoltert.

Der damalige Premier Silvio Berlusconi hatte noch vor wenigen Monaten im Parlament beteuert, seine Regierung habe von der CIA-Operation nichts gewusst. Auch der Chef des militärischen Abwehrdienstes Sismi, Nicolò Pollari, hatte versichert, dass die Entführung ohne Wissen und Unterstützung der italienischen Geheimdienste durchgeführt worden sei. Doch abgehörte Telefongespräche lassen das Gegenteil vermuten.

Nun bringen die Ermittlungen der Staatsanwälte täglich brisantere Details ans Licht. Der verhaftete Sismi-Vizechef Marco Mancini hat während seines zehnstündigen Verhörs offenbar neue Details enthüllt. Mehrere Geheimdienstleute haben gestanden, das sechsköpfige CIA-Kommando bei der illegalen Operation unterstützt zu haben.

Für Schlagzeilen sorgt vor allem der Umstand, dass der Sismi offenbar Journalisten bezahlte, um Falschmeldungen zu verbreiten und unliebsame Richter und Politiker ins schiefe Licht zu rücken. Der stellvertretende Chefredakteur der rechten Tageszeitung Libero hat gestanden, mit dem Sismi zusammengearbeitet und dafür Geld erhalten zu haben. Er habe "Italien vor dem Terrorismus schützen wollen", erklärte Renato Farina. Er hatte in seiner Zeitung ein gefälsches Dossier abgeduckt, das den jetzigen Premier Romano Prodi beschuldigte, als Präsident der EU-Kommission die illegalen CIA-Flüge in Europa genehmigt zu haben.

Dagegen wurden die Repubblica-Journalisten Giuseppe D'Avanzo und Carlo Bonini, die über den Entführungsfall recherchierten, bespitzelt und abgehört. Die Journalistengewerkschaft sprach von einem "in demokratischen Staaten beispiellosen Vorgang". (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 10.7.2006)