Jeweils montags, mittwochs und freitags erscheint eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war vorgestern. Da hat mich K. einen Deppen genannt. Weil ich freiwillig mehr Geld für Dinge ausgäbe, die man anderswo billiger bekäme: Wir hatten beide neue Laufschuhe an. Meine waren hässlich. Seine nicht. Er zweifle, sagte K., an meinem Verstand. Wegen der Ästhetik. Und ich hätte sicher wieder mehr bezahlt als er. Weil ich in kleinen Läden kaufe – während er in großen Store oder dem Netz shoppe. Und die Sache mit dem Uhrmacher auf der M.-Straße hätte doch auch gezeigt, dass er recht habe.

Der Uhrmacher hatte mich nämlich so „serviciert“, dass K. ihn seither als Beispiel dafür zitiert, dass kleine Unternehmer den Tod durch Servicediebstahl, Webshops und Ketten verdienten: Ich hatte dort die Batterie meiner Laufuhr wechseln lassen.

Dass der Uhrmacher mich zunächst darauf hinwies, er könne keine Garantie für die Wasserdichtheit danach übernehmen, verstand ich. Dass er dann 15 Minuten brauchte, nicht. Wirklich stutzig machte mich dann aber der Betrag, den der gute Mann verlangte. Er hatte wohl besonders gewissenhaft gewerkt. Dass die Uhr eine falsche Uhrzeit und ein falsches Datum zeigte, merkte ich erst nachher.

Stehende Zahlen

Und zwar als ich sah, dass die Uhr nicht lief. Sie stand. Dass eine digitale Sportuhr das überhaupt kann, war mir neu. Vor allem, weil das Werkel – bis das Display blass wurde – klaglos funktioniert hatte. Das sagte ich eine Stunde danach auch dem Uhrmacher. Was er da jetzt tun solle, fuhr mich der Meister an: Er habe von mir eine kaputte Uhr bekommen, ich hätte ja nur eine neue Batterie eingesetzt haben wollen.

Kaputt? Wieso kaputt? Der Mann brüllte: Wenn die Uhr vorher nicht defekt gewesen wäre, könne sie es jetzt auch nicht sein. Er sei seit 30 Jahren Uhrmacher und habe sicher keinen Fehler gemacht. Eine nochmalige Überprüfung würde er mir deshalb in Rechnung stellen. Ich ging. K. trug die Geschichte in sein Buch des Kleingewerbe-Hasses ein.

Vorzimmergangprobelauf

Aber die Geschichte geht weiter: Zwei Tage später war ich in meinem Laufschuhladen. In der L-Gasse. Der, über den K. sich immer mokiert. Weil er es bizarr findet, dass man als Kunde im ersten Stock hundert Mal durch einen Wohnungsgang gehetzt wird, um dann Schuhe verordnet zu bekommen. Unter Garantie die hässlichsten unter allen Verfügbaren. Und man dafür auch noch mehr Geld als im Ketten-Shop hinlegen müsse.

Die Uhr – ein Spielzeug, das neben Geschwindigkeit und Puls zu messen auch noch Kaffee kochen, Lottotipps vorhersagen und den Weltfrieden sichern kann – hatte ich auch dort gekauft. Irgendwann im letzten Winter. Und die Rechnung natürlich verschmissen. Trotzdem jammerte ich dem Schuhhändler mein Leid. Der verstand nicht: Wieso ich nicht gleich zu ihm gekommen wäre? Wieso ich an die Rechnung überhaupt nur dächte: wenn ich sie nicht mehr fände, würde eben er in seiner Buchhaltung nachschauen: Wenn die Uhr jetzt einen Defekt habe, falle das in die Gewährleitungsfrist – das sei so. Punkt..

Ordentlicher Kaufmann

Als ordentlicher Kaufmann zähle für ihn da der Tag des Verkaufs – nicht meine Rechung. Wenn ich irgendwann im Winter hier gewesen sei werde er eben so lange in seinen Unterlagen suchen, bis er den dazugehörigen Beleg gefunden habe. Er könne aber leider nicht garantieren, dass er das noch heute schaffen würde. Und jetzt wolle er bitte wissen, wieso die beiden anderen Kunden und ich ihn anblickten, als wäre er ein Gespenst? Dann gab er mir eine Ersatzuhr (nein, er brauche da weder Ausweis noch Unterschrift) – und kümmerte sich um seine anderen Kunden.

Zwei Tage später rief er an: Das Gerät habe einen Schaden, bei dem nicht klar sei, ob er nicht doch durch unsachgemäßes Öffnen des Gehäuses entstanden sei. Aber da da nur eine alte, halb ausgeronnene Batterie drin gewesen sei (hatte ich ihm nicht gesagt, ich sie bei einem Uhrmacher gewesen?, fragte der Laufschuhhändler), habe er den Hersteller mit ein bisserl Zureden davon überzeugen können, dass das ein Gewährleistungsfall sei. Fazit: Ich bekäme eine neue Uhr.

Als ich die abholen ging, ließ ich mich in seinem Gang hin und her hetzen. Ich bekam – wie immer – die hässlichsten Schuhe. Am nächsten Tag traf ich dann K. Er wollte es wieder einmal mit Laufen versuchen. Vor dem Start machte er sich über meine Schuhe lustig. Seine waren auch neu und sahen zum Niederknien aus. Nach zehn Minuten gab K. dann auf: Seine Füße taten weh. Ich verkniff mir den Hinweis, dass seine Schuhe im ersten Stock weniger als im Ketten-Store gekostet hätten – weil er sie dort ohnehin nicht hätte kaufen dürfen.