Bild nicht mehr verfügbar.

Eine von der israelischen Armee zerstörte Brücke in Gaza

Foto: Reuters/Salem
Während der palästinensische Premier Ismail Haniyeh am Wochenende erstmals eine Waffenruhe vorschlug, ohne aber die Freilassung des verschleppten israelischen Soldaten oder irgendeine andere Gegenleistung anzubieten, blieben israelische Militärs und Politiker bei ihren Schätzungen, dass die Militäroperation im Gazastreifen "auch noch Monate dauern kann".

Diese Prognose ist angesichts der jetzt schon sehr schwierig gewordenen Lage der Palästinenser offenbar Teil der psychologischen Kriegsführung. Doch das unverminderte Raketenfeuer auf israelische Grenzorte signalisierte, dass die radikalen palästinensischen Gruppen noch immer unbeeindruckt sind.

In dem Städtchen Sderot wurde ein Israeli durch einen Einschlag auf einer Straße mittelschwer verletzt, ein Volltreffer auf ein Haus verletzte drei Menschen leicht. Erstmals gingen Kassam-Raketen auf das weiter entfernte Städtchen Netivot nieder. "Es gibt keine Patentmethode, die in so kurzer Zeit einen hundertprozentigen Erfolg bringen kann", antwortete Minister Jizchak Herzog von der Arbeiterpartei auf den Einwand, dass Israel trotz des gewaltigen militärischen Aufwands nicht imstande sei, die Raketenwerferkommandos zu neutralisieren.

Große Opferzahlen

Die unvergleichlich größeren Opferzahlen hatten auch über das Wochenende die Palästinenser zu verzeichnen. Am Samstag meldeten sie sieben Tote, seit dem Beginn der israelischen Kampagne dürften schon mehr als 50 Palästinenser getötet worden sein. Für eine Explosion, bei der in Gaza-Stadt eine Frau, ihr erwachsener Sohn und ihre sechsjährige Tochter starben, wollen die Israelis aber nicht verantwortlich gewesen sein.

Am Samstag hatten sich die israelischen Truppen aus dem Raum von Bet Lahya im Norden zurückgezogen, zugleich waren sie nahe an Gaza-Stadt im Zentrum herangerückt. Nach eigenen Angaben verfolgen die Israelis eine Taktik, die keine permanente Besetzung, sondern ständig wiederkehrende begrenzte Vorstöße vorsieht, mit dem Ziel, die bewaffneten palästinensischen Zellen in Atem zu halten. Sonntagfrüh kam es auch im Raum des Grenzübergangs Karni zu Feuergefechten, und nach wie vor hielten israelische Truppen Positionen bei Rafah im Süden, in jenem Raum, wo der vor zwei Wochen entführte Soldat Gilad Shalit vermutet wird.

Haniyehs Kanzlei machte eine "Initiative" publik, wonach "alle Seiten die Ruhe wiederherstellen und wechselseitig alle militärischen Operationen beenden müssen". Der Hamas-Premier rief dabei zur Aufnahme von Verhandlungen über die Freigabe des Soldaten, zur sofortigen Freilassung festgenommener Hamas-Funktionäre und zur Öffnung der Grenzübergänge auf. Es schien aber unwahrscheinlich, dass die "Initiative" mit den Entführern selbst und dem radikalen Hamas-Flügel in Damaskus abgesprochen war. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 10.7.2006)