Berlin - Es wäre die perfekte Krönung einer beispiellosen Karriere: Acht Jahre nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft könnte Frankreichs Kapitän Zinedine Zidane am Sonntag im WM-Finale zum zweiten Mal den höchsten Fußballthron besteigen. Doch Endspielgegner Italien will der "Legende" der "Equipe Tricolore" die Abschieds- und Krönungsfeier gründlich verderben und "Zizou" als Verlierer in die Kicker-Pension schicken.

Mit Nostalgie und Emotionen gewinnt man keine Fußballspiele, schon gar nicht ein WM-Finale und erst recht nicht gegen Italien. Zidane und der Rest der Domenech-Equipe bekommt es mit einem Team zu tun, das außergewöhnlich erfolgreich agiert. Mit der für sie typischen Defensivstärke haben die Azzurri erst einen Gegentreffer in sechs Spielen kassiert - und zwar ein extrem kurioses Eigentor, das Verteidiger Cristian Zaccardo im Vorrundenspiel beim 1:1 gegen die USA schoss.

Danach gab es nur noch Siege: ein 2:0 gegen die mit großen Vorschusslorbeeren bedachten Tschechen, ein glückliches 1:0 im Achtelfinale gegen Australien dank eines umstrittenen Foulelfmeters in der Nachspielzeit, ein souveränes 3:0 im Viertelfinale gegen die Ukraine und ein Halbfinal-Triumph mit zwei "Last-Minute-Toren" gegen Gastgeber Deutschland.

Herzstück der starken italienischen Mannschaft ist die Defensivabteilung mit den beiden Weltklasse-Innenverteidigern Marco Materazzi und Kapitän Fabio Cannavaro. Hinter den beiden steht der wohl beste Tormann der Welt, Gianluigi Buffon. Im Mittelfeld wird die Defensive verstärkt von Andrea Pirlo und Gennaro Gattuso. Diese "Rasenschach-Strategen" müssen die Franzosen am Sonntag in Berlin erst einmal überwinden.

Möglicherweise sind Stars vom Kaliber eines Zidane oder eines Thierry Henry dazu tatsächlich in der Lage. Der französische Kapitän hat im Turnierverlauf jedenfalls eindrucksvoll bewiesen, dass ihm die genialen Ideen sowie technischen Gustostückerln noch nicht ausgegangen sind. Doch wenn es eine Verteidigung gibt, die Zidane Paroli bieten kann, dann ist es die italienische. Gattuso, einer der am meisten gefürchteten und effektivsten "Zerstörer" im Mittelfeld, wird nie weit von Zidane entfernt sein und ihm wenig Zeit lassen, um sich als Mittelfeld-Regisseur entfalten zu können.

Auf Frankreichs "Torfabrik" Henry warten dagegen die (Welt-)Meister des Stellungsspiels - Cannavaro und Materazzi. Und sollte er diese einmal überwinden, bekommt er es mit dem unglaublich reaktionsschnellen und fast unüberwindlichen Buffon zu tun.

Während auf Italiens Schlussmann seit Jahren Verlass ist, hat sich Frankreichs Tormann Fabien Barthez mittlerweile zum großen "Schwachpunkt" der Franzosen entwickelt. War er beim WM-Titel 1998 und beim französischen EM-Triumph 2000 noch der große Rückhalt, so vergisst der erfahrene Keeper nun des Öfteren, dass seine Hände eigentlich dazu da sind, um einen Ball zu fangen anstelle ihn wegzufausten.

Bestes Beispiel für diese Schwäche war seine haarsträubende Aktion im Halbfinale gegen Portugal, als er Luis Figo den Ball mittels "Volleyball-Einlage" regelrecht servierte. Doch der Spielmacher des Vize-Europameisters war so verblüfft, dass er dieses "Aufspiel" nicht zum 1:1 verwertete, sondern über die Latte köpfelte. Sollten Barthez solche Schnitzer auch gegen Italiens Stürmer Francesco Totti und Luca Toni unterlaufen, dann "Gute Nacht Frankreich!"

Dass die Mannschaft von Teamchef Raymond Domenech trotz Barthez erst zwei Gegentore (eines davon durch Elfer) im WM-Verlauf kassiert hat, beweist wie sicher die Franzosen im Feld stehen. In der Defensive verfügen sie über ein ähnlich starkes Bollwerk wie die Italiener. Lilian Thuram muss sich keineswegs hinter seinem italienischen Konterpart Cannavaro verstecken. Und die routinierten Mittelfeldakteure Claude Makelele und Patrick Vieira ergänzen die solide Defensivabteilung als "Staubsauger" vor der Abwehr. Man darf also gespannt sein, welcher (Hinter-)Mannschaft im Finale der erste - und vielleicht auch entscheidende - Fehler unterlaufen wird. (APA/AP)