Rom - In der Affäre um den 2003 in Mailand entführten Imam Abu Omar, die zur Festnahme von zwei hochrangigen Funktionären des italienischen Militärgeheimdienstes SISMI geführt hat, ist es zu ersten Geständnissen gekommen. Die festgenommene "Nummer Zwei" des SISMI, Marco Mancini, erklärte sich bereit, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, um die Hintergründe der Verschleppung des moslemischen Geistlichen zu klären, der auf offener Straße entführt worden war, berichteten italienische Medien am Freitag.

CIA-Agenten hatten den Fundamentalisten über Ramstein verschleppt. Abu Omar wurde dann nach Ägypten geführt, wo er in einem Sondergefängnis gefoltert wurde. Gegen Abu Omar hatten die italienischen Justizbehörden wegen dessen angeblichen Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida (al-Qaeda) ermittelt.

Hochrangige Vertreter der bis April amtierenden Regierung von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi behaupten, dass Rom von der Entführung nichts gewusst habe. Die Mailänder Staatsanwälte sind aber anderer Ansicht. Sie behaupten, dass der italienische Militärgeheimdienst über drei Jahre hinweg eine Desinformationskampagne geführt habe. Der SISMI zählte zu seinen Informanten auch zwei Journalisten der rechtsgerichteten Zeitung "Libero". Diese informierten angeblich den Geheimdienst über die Ermittlungen des Mailänder Staatsanwalts Armando Spataro über die Machenschaften der CIA in Italien.

Neben Mancini wurde auch der SISMI-Funktionär Gustavo Pignero festgenommen. Angelastet wird den beiden Agenten das "Zusammenwirken zur Entführung einer Person" sowie "Missbrauch der Amtsgewalt". Die Ermittlungen gegen Mancini, den Chef der Abteilung für militärische Gegenspionage beim SISMI, sind ein starkes Indiz dafür, dass europäische Dienste von den Praktiken der CIA in Europa mehr wussten, als sie zugeben. Im Mailänder Entführungsfall hatte die italienische Justiz bisher nur gegen US-Bürger ermittelt. Im Dezember waren Haftbefehle gegen 22 CIA-Agenten erlassen worden. Ein Prozess soll laut Staatsanwaltschaft Ende Juli beginnen. Die Mailänder Ermittlungsbehörden hatten in den vergangenen Monaten auch Auslieferungsbegehren an die USA angestrengt, was aber der damalige italienische Justizminister Roberto Castelli abgelehnt hatte.

Die Geheimdienst-Affäre sorgte für hitzige Diskussionen in Italien. Außenminister Massimo D'Alema beschuldigte die Regierung Berlusconi, über die Machenschaften des SISMI und der CIA in Italien bestens informiert gewesen zu sein, es jedoch nicht zugeben zu wollen. Auch der Ministerrat will über den SISMI-Skandal diskutieren. (APA)

Reform der Geheimdienste geplant

Nach der Affäre um die Entführung von Omar plant die Regierung eine tief greifende Reform der Geheimdienste. Die interne Organisation der Spionageabwehrdienste soll im Namen einer stärkeren Effizienz bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus umstrukturiert werden, berichteten italienische Medien am Freitag.

Die Reform der Geheimdienste soll der Verfassungskommission des Parlaments anvertraut werden, die eine tiefgreifende Umstrukturierung des bestehenden Systems vorschlagen soll.

"Man muss endlich festlegen, welche Grenzen man den Geheimdiensten setzen soll. Welche Operationen sollen unbestritten bleiben, auch wenn sie die Gesetze verletzen?", fragte der italienische Innenminister Giuliano Amato. Die Entführung des moslemischen Geistlichen, der 2003 in Mailand verschleppt worden war, könne als Personenentführung oder als internationale Polizeioperation betrachtet werden.

Der Imam der Mailänder Moschee, Osama Mustafa Hassan, alias Abu Omar, war 2003 am helllichten Tag in Mailand entführt und über US-Luftwaffenstützpunkte in Italien und Deutschland nach Ägypten gebracht worden. Dort wurde er Ermittlungen der italienischen Justiz zufolge gefoltert, freigelassen und wieder verhaftet. Ihm werden Verbindungen zum Terrornetz Al-Kaida (al-Qaeda) vorgeworfen.

Der zivile Geheimdienst SISDE und der militärische Spionageabwehrdienst SISMI könnten den Plänen der Mitte-Links-Regierung zufolge fusioniert werden, um Kosten zu sparen und an Effizienz zu gewinnen. Experten fordern, dass das Staatsgeheimnis nicht mehr unbefristet, sondern maximal 15 Jahre gilt, danach könnten in bestimmten Situationen auch geschützte Geheimdokumente veröffentlicht werden.

Die Regierung will somit dem Druck zahlreicher Organisationen von Familienangehörigen der Opfer rätselhafter Attentate nachgeben, wie der extremistische Anschlag an Bord des Italicus-Zuges 1974 und die ungeklärte Flugzeugkatastrophe von Ustica (1980). Sie kämpfen seit Jahren um die Veröffentlichung geheimer Staatsdokumente, die die Hintergründe der Anschläge klären könnten.