Bild nicht mehr verfügbar.

Zunehmend schwieriges Duo: Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und ihr Arbeitsminister Müntefering (SPD).

Foto: Getty Images
Auslöser für die Verstimmungen war die jüngste Einigung auf eine Gesundheitsreform.


Berlin - Der Koalitionsstreit um die Führungsstärke von Bundeskanzlerin Angela Merkel eskaliert. Führende SPD-Politiker verschärften am Donnerstag ihre persönlichen Angriffe auf die Kanzlerin und ermahnten die Unionsseite mit Nachdruck, sich an Absprachen zu halten.

"Das Problem dieser Koalition ist immer mehr die Kanzlerin", sagte der Sprecher des einflussreichen konservativen SPD-Flügels Seeheimer Kreis, Johannes Kahrs. "Der Fisch stinkt immer vom Kopf her."

Angesichts der heftigen SPD-Attacken gegen die Kanzlerin forderten Spitzenpolitiker von CDU und CSU ein klares Bekenntnis der Sozialdemokraten zur Fortsetzung der Koalition.

CSU-Generalsekretär Markus Söder startete neue Gegenangriffe auf SPD-Fraktionschef Peter Struck, der Merkel Wortbruch bei den Verhandlungen über die Gesundheitsreform vorgeworfen hatte. "Er sollte sich da schleunigst eines anderen Stils bemächtigen", sagte Söder. Er rate Struck, in den Urlaub zu fahren und sich dort zu beruhigen.

Auslöser der heftigen Verwerfungen im Regierungsbündnis ist der mühsam ausgehandelte Kompromiss der Koalitionsspitzen für die Grundzüge der Gesundheitsreform. Kanzlerin Merkel hatte die SPD unmittelbar vor der entscheidenden Verhandlungsrunde über die Eckpunkte mit ihrer Festlegung überrascht, für die künftige Krankenkassen-Finanzierung keine Steuererhöhungen zuzulassen.

Länder drängten

Zu dieser Haltung war Merkel vor allem von den Ministerpräsidenten der von der Union geführten Länder gedrängt worden. Dadurch erreichte die Koalition nur einen vorsichtigen Einstieg in eine stärkere Steuerfinanzierung. Von den 16 Milliarden Euro, die für die Finanzierung der Kinderversicherung in den gesetzlichen Kassen und für die Kosten in der Privaten Krankenversicherung benötigt werden, sind für die Jahre 2008 bisher nur 1,5 Milliarden Euro und für 2009 drei Milliarden Euro eingeplant.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte im ZDF, die große Koalition müsse die Chance nutzen, die jahrelange Blockade der Länder im Bundesrat zu überwinden. "Das heißt, dass wir einen verlässlichen Partner auf der Unionsseite brauchen."Zunächst habe es klare Signale aus der Union gegeben, die von der SPD gewünschte stärkere Steuerfinanzierung des Gesundheitssystems mitzutragen. Daher sei es "ein unangenehmer Vorgang"gewesen, dass Spitzenpolitiker der Union dann "die Kanzlerin eingemauert haben", weil sie unliebsame Schlagzeilen gefürchtet hätten.

Heil wollte sich nicht zum Verhältnis zwischen Merkel und Struck äußern, das zuletzt stark angespannt war. Struck hatte vor zwei Wochen kurz vor einer Spitzenrunde der Koalition in einem Interview Kritik an Merkels Führungsstil geäußert und wurde darauf in der Sitzung von der Kanzlerin zur Rede gestellt.

Seeheimer-Sprecher Kahrs nannte Merkels Verhandlungsstil im RBB unanständig. Die Kanzlerin sei in Sachen Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens entgegen den Absprachen mit der SPD vor einigen Unions-Ministerpräsidenten eingeknickt. "Das hat nichts mit Führung zu tun. Und das ist auch unanständig."

Die bisherige Leistung der Kanzlerin sei nicht großartig. Sie habe Deutschland nicht nur mehr Zahlungen für die EU beschert, sondern auch einen Bundeswehr-Einsatz im Kongo und wahrscheinlich auch bald einen Einsatz im Südsudan. (red/ DER STANDARD, Printausgabe, 7.7.2006)