Knapp vorbei am Prellbock des Aufsichtsrats ist ÖBB-Vorstandsdirektorin Wilhelmine Goldmann geschrammt. Jetzt muss das Klima in der Chefetage saniert werden.

Foto: STANDARD/Andy Urban
Wien - Nach vierstündiger Stizung kam der Aufsichtsrat der ÖBB-Personenverkehr AG am Donnerstag zum Schluss, dass die Nahverkehrschefin Wilhelmine Goldmann angelasteten Verfehlungen nicht ausreichen, um eine Entlassung der Vorstandsdirektorin zu rechtfertigen. Das gab Personenverkehr-Aufsichtsratspräsident Fredmund Malik nach der Sitzung in einer Pressekonferenz bekannt.

Einstimmig beschlossen wurde von dem bis auf Johannes Strohmayer (Staatsdruckerei; er hatte seine Stimme an Malik übertragen) vollzähligen Kontrollgremium: "Es liegen keine ausreichenden Gründe für eine Entlassung vor."Dem Verweis "wegen missbräuchlicher Verwendung betrieblicher Mittel für nicht-betriebliche Zwecke"stimmten nur die Kapitalvertreter zu, während sich die Betriebsräte ihrer Stimmen enthielten.

Notwendiger Verweis

Notwendig sei der Verweis, weil die Organe dazu verpflichtet seien, rechtfertigte Malik den ungewöhnlichen Schritt. Denn im Sinne gelebter und richtiger Unternehmensführung seien die Regeln einzuhalten. Und im Übrigen handle es sich um keine Bagatelle, auch wenn der Schaden nur tausend oder 1200 Euro betrage.

Goldmann nahm die Verwarnung "unter Protest zur Kenntnis", wie die ehemalige Postbus-Chefin nach der Sitzung wissen ließ. "Offen"ist sie nach eigenen Worten für die vom Aufsichtsrat angeordneten Gespräche mit dem Vorstand der ÖBB-Holding (und dessen Vorstandssprecher Martin Huber).

Ob dieses Verhältnis, das Kapitalvertreter als "zerrüttet"beschreiben, wieder zu kitten ist, bleibt freilich abzuwarten. Es sei sehr viel Porzellan zerschlagen worden, heißt es.

Dass die Sozietät CMS Reich-Rohrwig Hainz in ihrer Stellungnahme eine Entlassung Goldmanns für gerechtfertigt erachtet hatte, erklärt Malik "mit den damals bekannten Sachverhalten, auf deren Basis das Gutachten erstellt worden"sei. Nun will der Aufsichtsrat untersuchen, wie das Gutachten in die Öffentlichkeit gelangt sei, denn das sei eine unerhörte Indiskretion. Was der Personenverkehrs-Präsident darüber hinaus wortreich ausführte: dass es der ÖBB-Führung nie um eine Entmachtung Goldmanns gegangen sei, sondern ausschließlich um deren Entlastung. Die Restrukturierung der ÖBB-Absatzgesellschaft sei aufwändig, daher habe man Goldmann Holding-Finanzvorstand Erich Söllinger zur Seite gestellt und die Marketing-Agenden an Fernverkehrsvorstand Stefan Wehinger übertragen - "denn dort gehören sie auch hin", wie Malik sagte. Und: "Es besteht noch immer Arbeitsüberlastung bei Goldmann."

Teure Beratung

Erhöhten Erklärungsbedarf verspürte Malik auch hinsichtlich des Beratungsvertrags, den das Management Zentrum St. Gallen von der ÖBB-Betrieb AG jüngst erhalten hat - laut Insidern rund 1,5 Millionen Euro schwer. Dieser Auftrag habe mit ihm überhaupt nichts zu tun, sondern sei vom Wiener Büro völlig eingenständig akquiriert worden. Die Vergabe sei - ohne sein Wissen - in einem völlig "klaren Verfahren" an den Bestbieter erfolgt. Dass sich Goldmann im Gegensatz zu anderen ÖBB-Vorstandsdirektoren geweigert habe, diesen Rahmenvertrag in Anspruch zu nehmen, wie Aufsichtsräte sagen, weist man in der Bahn als Falschmeldung zurück. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.6.2006)