Die erste rechtlich anerkannte Transsexuellen-Ehe in Österreich schlägt hohe Wellen . Über rechtliche Hintergründe und Auswirkungen auf weitere betroffene Paare sprach derStandard.at mit der Juristin Elisabeth Holzleithner, die im Wahlfachkorb Legal Gender Studies an der Universität Wien unterrichtet.

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derStandard.at: Die Aufhebung des Transsexuellen-Erlasses durch den Verfassungsgerichtshof wird heftig diskutiert. Was kann konkret darunter verstanden werden?

Holzleithner: Transsexuelle sind Menschen, die ein Programm durchlaufen, um ihr Körpergeschlecht an ihr psychisches Geschlecht anzupassen. Dann werden sie auch von der Rechtsordnung im angenommenen Geschlecht anerkannt. Im Transsexuellenerlass war unter anderem geregelt, dass man nicht verheiratet sein darf, wenn man in den Personenstandsbüchern das neu angenommene Geschlecht eintragen lassen möchte. Diese Bestimmungen sind nun aufgehoben worden.

Der Erlass war ein interner Verwaltungserlass. Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass es sich dabei um eine Rechtsverordnung handelt, die nicht rechtskonform zu Stande gekommen ist und somit als gesetzwidrig aufzuheben war. Die Vorgabe, dass man nicht verheiratet sein darf, um das neue Geschlecht in den Personenstandsbüchern eintragen zu dürfen, fällt nun weg. Das heißt auch, dass all diejenigen, die noch verheiratet sind, sich nicht scheiden lassen müssen, um das neue Geschlecht anzunehmen.

derStandard.at: Nach Expertenschätzungen leben österreichweit ungefähr noch 20 bis 50 Paare in einer ähnlichen Konstellation. Wie stehen deren Chancen auf rechtliche Anerkennung ihrer Ehe?

Holzleithner: Sie müssen sich nicht scheiden lassen, um das neue Geschlecht eintragen zu lassen, diese rechtliche Hürde fällt nun weg. Aber angenommen, das Paar wäre noch nicht verheiratet, besteht keine Möglichkeit zur Eheschließung, da das gleiche Geschlecht der PartnerInnen weiter ein Hindernis ist, um eine Ehe eingehen zu können.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bislang nichts dagegen einzuwenden, dass die Ehe als etwas definiert wird, das nur zwei Menschen verschiedenen Geschlechts eingehen können. Deswegen ist es auch im Licht der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht problematisch, dass wir in Österreich nicht die Möglichkeit haben, dass gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe eingehen.

derStandard.at: Das Justizministerium ließ durch Pressesprecher Christoph Pöchinger verlautbaren, dass es sich in seiner Linie bestätigt fühlt. Woran scheitern also immer wieder Reformversuche zur rechtlichen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren?

Holzleithner: Ich denke da gibt es eine relativ klare Antwort, nämlich dass die Österreichische Volkspartei nicht den politischen Willen zeigt, Schwule und Lesben in Österreich gleichzustellen. Auch die FPÖ und große Teile des BZÖ sind auf dieser Linie.

Der fehlende politische Wille ist in vielen Bereichen seit Jahrzehnten zu erkennen. Das ist von der mühsamen Abschaffung der strafrechtlichen Homosexuellenparagraphen bis eben jetzt zu der höchst schleppend vorangehenden Institutionalisierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu beobachten. In Österreich wird sich erst etwas ändern, wenn die derzeit größte Partei ihre Linie ändert oder eine andere politische Konstellation zu Stande kommt.

derStandard.at: Ist eine Änderung des Gesetzes möglich? Verstößt es nicht gegen die Menschenrechtskonventionen, in denen das Recht auf Ehe und Familie verankert ist?

Holzleithner: Es wird spannend, was jetzt passiert und ob etwas passiert. Der Hauptkritikpunkt des Verfassungsgerichtshofs hat darin bestanden, dass die Forderung nach Unverheiratetheit, um das neue Geschlecht eintragen zu lassen, damit keine gleichgeschlechtliche Ehe entsteht, keine rechtliche Basis hat.

Der Gesetzgeber hat natürlich die Möglichkeit, eine "Reparatur" vorzunehmen. Es können Überlegungen angestellt werden, wie solche gleichgeschlechtlichen Ehen zu verhindern sind, aber das müsste rechtlich verankert werden. Schön wäre es, wenn der Gesetzgeber dies zum Anlass nähme, um die Ehe generell auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Aber wie gesagt, das ist zur Zeit nicht zu erwarten.

derStandard.at: Verstößt eine Auflösung nicht gegen die Grundrechte?

Holzleithner: Das ist eine heikle Frage, die der Verfassungsgerichtshof umgangen hat. Er hat explizit gesagt, dass er sich mit den Fragen des Rechts im Privatleben nicht auseinandersetzt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Sachverhalt zu sehen: Von jemandem zu fordern, er müsse eine Ehe auflösen, um das neue Geschlecht anzunehmen, ist ein massiver Eingriff ins Privatleben. Hier kann mit guten Gründen argumentiert werden, dass dies der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. Denn es handelt sich eben nicht um eine Eheschließung, sondern um die Frage der Aufrechterhaltung einer bestehenden Ehe. (Interview: Julia Schilly)