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Wer zeitig in der Früh aufsteht, wird mit solchen Sonnenaufgängen belohnt.

EPA/OLIVIER MAIRE

Am Wegesrand wachsen Sanddorn und Königskerzen, über den Köpfen kreist ein Steinadlerpaar. "Balcon du ciel" wird die kleine Ortschaft Nax im Schweizer Kanton Wallis genannt, und wie ein wahrer Himmelsbalkon schwebt sie tatsächlich über dem Rhônetal. Tief unten liegt das mittelalterliche Sion, umgeben von Weingärten, und selbst hier oben auf fast 1300 Metern wirken Flora und Fauna fast mediterran.

Ungewöhnlich begünstigt vom milden Klima ist dieser französischsprachige Teil des Wallis, die Apfelbäume tragen hier noch Früchte, wo bei uns in den österreichischen Alpen schon die Baumgrenze einen Strich durch die spärliche Vegetation macht. Durch Lärchenwälder wandert man hier also z. B. bis zum "Lac des Dix", und staunt die mit 285 Metern höchste Staumauer der Welt hinunter.

Wer es gemütlicher angehen lassen will, schlendert einen Forstweg entlang zur "Alpage" von Lovegno. Rindviecher aus der ganzen Schweiz sind Mitte Juni eben bei dieser Sennerei eingetroffen und werden auf Sommerfrische hier oben bleiben. Die fürs Wallis typischen Kuhkämpfe müssen also erst gar nicht für die Touristen arrangiert werden - die einander fremden Kühe gehen sowieso aufeinander los, um einmal die Hack- bzw. Stoßordnung zu klären. Die von der Anreise müden Bauern stärken sich bei Weißwein und einer kräftigen Suppe, die unter großem Hallo aus einem Riesenkessel auch an die Zufallsgäste ausgeschenkt wird.

Nach Nax zurückgekehrt, erwartet die Wanderer eine weitere kulinarische Überraschung: Gerade heute wird am "Four banal", dem dörflichen Gemeinschaftsofen, gebacken, an die 500 duftende dunkle Brote gehen dabei über den Ladentisch. Was heutzutage rund fünfmal im Jahr als Dorffest zelebriert wird, hat einen weniger fröhlichen Hintergrund. Im Mittelalter waren die Bauern gezwungen gewesen, ihr Brot im Ofen des Lehnsherren gegen ein Entgelt zu backen. Diese finsteren Zeiten sind zum Glück vorbei, und Einheimische wie Gäste beschließen ganz und gar freiwillig auf der Restaurantterrasse des örtlichen Schwimmbades, ein paar Garnelen zu sich zu nehmen. Dass dieses Etablissement mit dem fantastischen Blick fast bis zum Genfer See "Le Grand Paradis" heißt, erscheint allen Beteiligten dann schon nur mehr konsequent. (Der Standard/rondo/7/7/2006)