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Hilfsstopp angedroht: Seouls Außenminister Ban Ki-Moon.

Foto: Getty Images/Chung Sung-Jun
Wien/London - "Außerordentlich dumm" findet Aidan Foster-Carter, einer der führenden Nordkorea-Experten, die Entscheidung des Regimes in Pjöngjang, nach Wochen demonstrativer Vorbereitungen tatsächlich ein halbes Dutzend Raketen abzufeuern.

"Ich dachte, sie würden sie einfach für jedermann sichtbar auf der Seite stehen lassen, wie sie es 1999 getan haben." Kim Jong-il hätte sich der Aufmerksamkeit Washingtons, die er so sehr will, sicher sein können, meinte Foster-Carter im Standard-Gespräch; später hätte die Armee die Raketen eben wieder von den Rampen nehmen können. "Aber sie am Ende abzufeuern, scheint verrückt - unter politischen wie technischen Gesichtspunkten."

Pjöngjang habe nun vor aller Welt gezeigt, dass seine größte Rakete nicht funktioniert und damit das Gesicht verloren. Selbst China, Nordkoreas einzig wichtiger Verbündeter, habe das Regime vor einem solchen Schritt gewarnt, erinnerte Foster-Carter. "Ziemlich merkwürdig. Ich bin überrascht."

Der riskante und letztlich fehlgeschlagene Testflug der Taepodong-2 mag erklären, dass Nordkoreas Militär auch eine Reihe anderer, längst erprobter Kurzstreckenraketen zündete und am späten Mittwoch noch eine siebte Rakete von offenbar längerer Reichweite nachschickte. Diese Auffassung äußerten amerikanische Regierungsvertreter. Dem Ansehen nach waren damit sechs von sieben Tests geglückt.

Foster-Carter, der als Gastprofessor an der Universität von Leeds lehrt, hält nun Auseinandersetzungen innerhalb des nordkoreanischen Regimes für denkbar. "Es gibt natürlich Meinungsverschiedenheiten in Pjöngjang. Einige Leute waren der Ansicht, es sei sinnvoll, eine solche Rakete abzuschießen. Andere, die Technokraten, die in der Vergangenheit ein begrenztes Maß wirtschaftlicher Reformen umsetzten, werden die Kosten für diesen Schritt als zu hoch beurteilen."

John Feffer, ein amerikanischer Korea-Experte, äußerte sich kürzlich ähnlich. Kim Jong-il, so schrieb Feffer, wolle mit dem Raketentest zeigen, dass die Interessen der Armee für ihn nach wie vor an erster Stelle rangieren. "Angesichts all des Nachdrucks auf wirtschaftliche Änderungen - die Einführung marktwirtschaftlicher Mechanismen, die Schaffung einer Industriezone in Kaesong mit südkoreanischem Kapital - könnte das nordkoreanische Militär sehr wohl das Bedürfnis nach einer Stärkung haben."Kim selbst, so heißt es im Außenministerium in Seoul sitze fest im Sattel und habe um sich ein Netz von Abhängigkeiten in der Armee und der Bürokratie geschaffen. (mab/DER STANDARD, Printausgabe, 6.7.2005)