Frankfurt/Chicago - Für die im internationalen Börsen-Fusionswettlauf immer wieder abgehängte Deutsche Börse könnte sich überraschend doch noch ein starker Partner finden.

Der Chef der US-Terminbörse Chicago Mercantile Exchange (CME), Craig Donohue, betonte in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwochausgabe) demonstrativ Gemeinsamkeiten mit der Deutschen Börse. Die Frankfurter hätten mit der Integration von Handel, Abwicklung und Clearing unter einem Dach ein intelligentes Geschäftsmodell, sagte Donohue. "Wir haben schließlich das gleiche Modell."

"Sehr vorsichtig"

Nach den Worten Donohues will die CME im Fusionspoker der Börsen derzeit aber nicht allzu forsch auftreten. "Wir schließen eine Übernahme oder eine Fusion nicht aus, aber wir sind auf diesem Gebiet sehr zurückhaltend und vorsichtig." Die Übernahme einer Aktienbörse sei für die CME zwar nicht ausgeschlossen. "Aber unser Schwerpunkt liegt auf den Terminmärkten".

Die Deutsche Börse betreibt gemeinsam mit der Schweizer Börse die weltweit größte Derivatebörse Eurex. Zwar steigt die Bedeutung der Derivate (Optionen, Futures) für die Finanzindustrie ständig, bisher waren die Frankfurter mit Eurex US aber nur mit mäßigem Erfolg in den USA präsent. Der Markt ist stark von den beiden großen Chicagoer Derivatebörsen CME und Chicago Board of Trade (CBOT) besetzt.

CME streckt Fühler nach Europa aus

Analysten werteten die Aussagen Donohues als Signal, dass die CME bei der Konzentrationswelle der europäischen Branche eine wichtige Rolle spielen will. "Chicago will sich ein zweites Standbein in Europa aufbauen", sagte Branchenexperte Steffen Haack von der NordLB. Nachdem sich die US-Technologiebörse Nasdaq kürzlich rund ein Viertel an der Londoner Börse LSE gesichert habe und die New York Stock Exchange (Nyse) die - auch von Frankfurt umworbene - Euronext umarme, wäre ein solcher Schritt logisch. Sollte es langfristig zu einem Bündnis Frankfurt-Chicago kommen, entstünde die dritte Börsenbrücke über den Atlantik.

NordLB-Experte Haack bleibt skeptisch. "Angesichts der Größenverhältnisse würde das wohl am ehesten auf eine Übernahme der Deutschen durch die Amerikaner hinauslaufen. Dies wird in Frankfurt niemand wollen und deshalb wird sich die Deutsche Börse wohl weiter auf eine europäische Lösung fokussieren." Ein Sprecher der Deutschen Börse lehnte eine Stellungnahme zu den Äußerungen Donohues ab. ´

Druck auf Börsen

Am Finanzplatz Frankfurt gibt es seit geraumer Zeit Stimmen, die eine engere Kooperation der Deutschen mit der CME fordern. Hintergrund sind unter anderem Befürchtungen, dass Frankfurt im Falles eines Scheiterns der Bemühungen um die Euronext alleine dastehen könnte. Börsen-Chef Reto Francioni versucht derzeit, als Alternative zu einer Übernahme der Euronext mit den Börsen in Mailand und Madrid ins Gespräch zu kommen. Euronext betreibt die Börsen in Paris, Brüssel, Amsterdam und Lissabon sowie die Londoner Derivatebörse Liffe.

Die großen Börsenbetreiber stehen unter massivem Kostendruck und bemühen sich vor allem in Europa seit knapp einem Jahrzehnt um eine Fusionen. Die meisten Anläufe sind jedoch gescheitert. Nach Ansicht von CME-Chef Donohue wird der Druck auf die Unternehmen aber meist überschätzt. "Es wird Übernahmen und Zusammenschlüsse geben, aber weniger, als man glaubt", sagte er: "Auch in fünf Jahren wird es in Europa mehr als eine große Börsengesellschaft geben." (APA/Reuters)