Herbert Gottweis ist Professor für Politikwissenschaft und Leiter der Life-Science-Governance-Plattform an der Uni Wien.

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STANDARD: Warum interessiert sich eigentlich ein Politikwissenschafter wie Sie für Biobanken?

Gottweis: Biobanken sind für uns interessant, weil sie ein Beispiel für neue Formen der Interaktion von Wissenschaft und Gesellschaft darstellen. Politik passiert heute in komplexen Netzwerken, die nicht nur staatlich geprägt sind, sondern in denen auch NGOs, multinationale Unternehmen, Wissenschafter oder Patientengruppen Rollen spielen. Im Grunde geht es uns dabei um Fragen der so genannten Governance, also um jenes komplexe Steuerungs- und Regelungssystem, das weit über den Staat hinausgeht.

STANDARD: Sie haben sich verschiedene Biobanken vergleichend angeschaut. Was ist dabei rausgekommen?

Gottweis: Man hat in den Anfangsphasen bei den großen Biobanken sicher Fehler bei der Governance gemacht. Island und Estland sind Beispiele, wie man es nicht machen soll. In Island wurde die Biobank von einer Privatfirma in enger Zusammenarbeit mit dem Staat ohne "informed consent" - also ohne explizite Einverständniserklärung der Patienten - begonnen. In Estland wiederum war das Problem, dass es weder eine ordentliche Geschäftsidee noch Risikokapital gab.

STANDARD: Sie kooperieren in Ihrem Projekt eng mit der Biobank in Graz?

Gottweis: Im Grunde ist das, was wir machen, ein Experiment im Experiment. Das Ganze ist als eine offene Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Sozial-und Naturwissenschaftern angelegt, um die Governance des Grazer Projekts zu optimieren. Die heutige Generation von Naturwissenschaftern, Medizinern und Technikern ist sich der gesellschaftlichen Eingebettetheit ihres Tuns stärker bewusst als frühere Generationen.

STANDARD: Läuft die sozialwissenschaftliche Begleitforschung dabei nicht auch Gefahr, zur Akzeptanzbeschafferin für solche Projekte zu werden?

Gottweis: Man würde als Sozial-oder Geisteswissenschafter schnell seine Reputation verlieren, wenn man bloß Legitimationsforschung betreiben würde. Schließlich ist die sozialwissenschaftlichen Technik-und Wissenschaftsforschung international organisiert. Es wäre aber auch nicht im Interesse der Biobank-Betreiber, sich mit einer Gruppe von Claqueuren zu umgeben, die alles rechtfertigen. (DER STANDARD Printausgabe, 5. Juli 2006)