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Ballgefühle

Was dürfen Sozialdemokraten heutzutage eigentlich noch dürfen? Geht es nach den politischen Gegnern, müssten sie in Kutten, bestreut mit Schutt und Asche, umherlaufen. Barbara Tóth hat die gängigen Klischees einer doppelbödigen Debatte hinterfragt.

Golf ist der Sport des Klassenfeindes - zumindest in den Augen jenes einfachen Gewerkschaftsmitglieds, das jüngst den GPA-Vorsitzenden Wolfgang Katziandafür geißelte, dass er mit Handicap nicht nur die aktuelle ÖGB-Situation assoziiert. Für seine Liebe zum Abschlagen und Einlochen wurde auch schon Bundeskanzler a.D. Franz Vranitzky kritisiert.

Foto: REUTERS/JESSICA RINALDI

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Dabei ist Golfen heute ungefähr so elitär, wie es Tennis vor zehn Jahren war: nämlich gar nicht. Hat aber immer noch einen schlechten Beigeschmack. Deshalb greifen nicht nur linke Politiker, die auf Nummer sicher gehen, lieber zu Laufschuhen oder zum Fußball. Das symbolisiert Ausdauer und Teamgeist, und nicht Caddy-Mentalität.

Foto: Shaun Botterill/Getty Images

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Nadelstreifen

Der Genosse an der Basis will im Allgemeinen, dass sein oberster Repräsentant ordentlich aussieht. Dass SPÖ-Klubobmann Josef Cap sich zur Krawatte hinwendete, machte Schlagzeilen, ebenso das tuchlose Revers von Bundespräsident Heinz Fischersrechter Hand Bruno Aigner.
Dabei hatte die rote Führung in Österreich immer schon ein entspanntes Verhältnis zum Maßanzug: Bruno Kreiskyließ seine Dreiteiler anfertigen, Hannes Androschkaufte bei Knize am Graben.

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Franz Vranitzky prägte den viel kritisierten Nadelstreif-Sozialismus. Viktor Klima benutzte die Kanzler-Uniform in Schwarz-Weiß-Rot.
Sein Nachfolger Alfred Gusenbauer experimentierte nur kurz mit dem proletarischen Mao-Stil, inzwischen trägt auch er die universelle, unangreifbare Politikereinheitskluft bestehend aus Anzug, Hemd und Krawatte.
Nur als Investmentbanker verkleidet sollte ein Sozi nach wie vor nicht daherkommen. Und Bawag-Chef Helmut ElsnersSeidenstecktuch macht sicher nicht Mode.

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Terrassentraum

Nichts hat die Gewerkschaftsgefühlswelt so aus dem Gleichgewicht gebracht wie die Penthouse-Affäre. Dass ausgerechnet der Ex-Chef der ÖGB-Bank Helmut Elsner und der ÖGB-Boss Fritz Verzentnitsch über den Dächern wohnen wollten, ist dem einfachen Genossen nicht zu vermitteln. Niemand verlangt von den führenden Funktionären der Bewegung, dass sie im Genossenschaftsbau bleiben müssen (obwohl es viele, freilich in luxuriöserer Ausstattung, tun). Protzig zur Schau gestelltes Neureichtum, noch dazu zum Diskontpreis, bleibt mit linker Gesinnung auch in Zeiten, in den sich die politischen Stilregeln gelockert haben, unvereinbar.

Foto: STANDARD/Fischer

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Haubengefahr

Alle Politiker machen es, wenn es ins Wahlkampfkonzept passt, wird es den Linken aber gerne vorgeworfen: das Essengehen in so genannte bessere Lokale. Alfred Gusenbaueretwa hängt bis heute nach, dass er seinen Schulterschluss mit Jörg Haideranno 2003 bei Spargel in einem Landgasthaus zelebrierte (Bild). Dass Finanzminister Karl-Heinz Grasserund Bildungsministerin Elisabeth Gehrer Kantinen mit Haubenköchen führen, stört in der ÖVP niemanden. Und wenn Kanzler Wolfgang Schüssel seine Gäste verköstigt, rapportieren die Medien tags darauf die detaillierte Menüfolge.
Vielleicht handelt es sich ja auch um eine Art bürgerlichen Futterneid auf die Toskanafraktion und ihren kulinarischen Aufholprozess. Die Hälfte der Nobellokale der Wiener Innenstadt könnte jedenfalls zusperren, würden die Politiker konsequent vorleben, was sie einfordern: Schonkost. Einzig bei Verhandlungsrunden wird das pseudoproletarische Wir-essen-die-Nahrung-derer-die-wir-zu-vertreten-glauben-Ritual konsequent umgesetzt: mit Wurstsemmeln und Frankfurtern.

Foto: APA/RAIMUND HEIGL

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Jetsetten

Wenn es nach der Reisemoral des politischen Gegners geht, gibt es für Linke nur ein Urlaubsland und eine Urlaubsdisziplin: Wandern in Österreich. Marbella ist tabu, ebenso Frankreich (Stichwort Sanktionen). Dass sich Finanzminister Karl-Heinz Grasser auf den so gar nicht klassenlosen Gesellschaftsdestinationen Malediven und Capri sonnte, war hingegen "Privatsache". Fazit: Urlaube sind nur dann politisch, wenn man sie politisch werden lässt. Also buchen und cool bleiben.

Foto: APA/dpa/Chad Ehlers

Katerstimmung

Die Geschichten über SPÖ-Chef Alfred Gusebauers Weinexpertisen sind zahlreich und legendär, vor allem, weil er selbst gerne und bereitwillig mit seinem önologischen Wissen glänzt. Etwa, in dem er im Jahr 2003 für profileinen Aufsatz schrieb oder an Weinverkostungen teilnimmt, zuletzt beim Weingipfel der Kleinen Zeitungim Steirereck am Pogusch. Während Lebensminister Josef Pröllsich als Botschafter heimischer Genüsse inszeniert, kommt der SPÖ-Chef aber immer wieder in die Bredouille - auch, weil die ÖVP deswegen an ihm herummäkelt. Manchmal ist es für Genossen offenbar besser, sie genießen im Stillen. Zumindest, so lange sie in Opposition garen müssen. (Barbara Tóth, DER STANDARD, Print, 5.7.2006)

Foto: STANDARD/Cremer