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Sounddesign ist die angenehme Seite von Lärm. Richtig eingesetzt kann der Käufer dadurch eine "Beziehung" zum Produkt entwickeln.

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Der Lärmteppich untertags wird weniger als störend wahrgenommen wie einzelne Autos, die zu später Stunde die Ruhe stören.

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Welches Geräusch am Lkw ist es konkret, das die Anrainer auf die Palme bringt? Und wie erzeugt man einen Motorsound, der die Liebe zum eigenen Fahrzeug auch akustisch festigt? Recht gegensätzliche Themen beim Wiener Kongress "On Sound and Vibration".

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Lärm lässt sich nicht allein durch Lautstärke definieren. Wenn der Verkehr an einer Straße so stark ist, dass der Geräuschmix einen gleichförmigen akustischen Teppich bildet, so verschwindet er mit der Zeit aus der Wahrnehmung der Anrainer. Am Abend jedoch, wenn die Verkehrsdichte abnimmt, reichen wenige Lkws oder Mopeds, um den Anrainern die Notwendigkeit einer Bürgerinitiative drastisch in Erinnerung zu rufen.

Insgesamt 900 Fachvorträge kreisen um alle Aspekte des Hörsinns am weltgrößten Akustik-Kongress "On Sound and Vibration", der noch bis Donnerstag in den Räumen der TU Wien stattfindet. Eingeladen haben das Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen als Hausherr, sowie das ebenfalls in Wien beheimatete Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Dessen Direktor, Werner A. Deutsch, organisierte eine Schwerpunktveranstaltung zum Thema Psychoakustik und Signalübertragung, wo auch die Ergebnisse einer eigenen Forschungsreihe über die Lärmabsonderung von Zügen vorgestellt wird. Dafür wurden rund 500 Stunden Tonaufnahmen mit insgesamt etwa 2000 Zugvorbeifahrten von einer Messstation in der Nähe der Westbahn bei Ybbs ausgewertet. "Wir reihen die akustischen Signale nach ihrer Ähnlichkeit in sieben Klassen", sagt Deutsch. "Und je nachdem wie störend der Lärm für die Anrainer ist, könnten die Behörden das als Basis nehmen, um danach die Höhe der Durchfahrtsgebühren festzulegen."

Kaum Störgeräusche

Dieses Regulativ wäre für die Spediteure das beste Argument für die Modernisierung des Fuhrparkes. Etwa den Wechsel von Backen- auf Scheibenbremsen, wodurch eine der ersten Lärmquellen wegfiele. "Was hier technisch möglich ist, sieht man am ICE," sagt Deutsch. "Der ist dreimal so schnell wie ein rumänischer Rumpelwagon und macht kaum Störgeräusche." Die Festlegung auf eine Höchstgeschwindigkeit eigne sich deshalb nur bedingt als Lärmschutzmaßnahme.

Bei den Lkws stammt der unangenehmste Geräuschanteil nicht vom Motor, sondern von den Reifen. Während man bei den Pkws schon gewaltige Fortschritte erzielte und singende Reifen die Ausnahme darstellen, sind wirklich ausgereifte Flüsterreifen bei den Trucks bisher noch nicht am Markt.

Eines der Hauptthemen am Kongress ist die Simulation akustischer Schwingungen und Vibrationen, die Vorberechnung und Modellierung von Strukturen. Das kann ein Reifen auf der Fahrbahn sein, eine Karosserie oder ein Ventilator. Dadurch wird es - einzig auf Basis der Designinformationen - für die Hersteller möglich, ihre Produkte zu hören, noch bevor sie produziert worden sind. Änderungen im Design ermöglichen die Optimierung der späteren Betriebsgeräusche.

Das zweite große Thema ist die Perzeption. "Natürlich braucht man die Theorie immer noch und die reine Analytik", erklärt Deutsch, "man hat aber erkannt, dass es nicht mehr genügt, nur die Vibrationen zu simulieren, sondern dass man sich auch darum kümmern muss, wie das wahrgenommen wird, gerade wenn man an Industrieanwendungen denkt."

Die angenehme Seite von Lärm bildet das Klangdesign. Dabei geht es um die Schaffung eines unverwechselbaren, fahrzeugtypischen Klanges. Die Abstimmung des Auspuffsystems vorwiegend nach außen und der Motorgeräusche nach innen. Hier besteht die Kunst in der Balance. Der japanische Hersteller Lexus zeigte vor einigen Jahren mit einem nahezu völlig geräuschlosen Modell, dass die Perfektion hier seine Tücken hat. Die Kunden klagten beispielsweise, dass sie unbeabsichtigt zu schnell fahren oder vergessen, in den nächsten Gang zu schalten, wenn der Motor akustisch nicht mehr wahrnehmbar ist.

Wie man dem Fahrzeug einen unverwechselbaren Klang designt, der im Fahrzeugraum angenehm schnurrt und nach außen zwar Kraft zeigt, aber niemanden auf die Palme bringt, das sind die gefragtesten Künste der Branche. (Bert Ehgartner/DER STANDARD, Printausgabe, 5. Juli 2006)