Attacke zwei Kilometer vor dem Ziel
Kessler beeindruckte mit seiner großen Moral. Am Vortag war er tief enttäuscht gewesen, doch im Finish des schwierigen Abschnitts probierte er es erneut. Der Kollege des suspendierten Jan Ullrich attackierte auf dem Cauberg knapp zwei Kilometer vor dem Ziel und zog unwiderstehlich davon und feierte vor seinem T-Mobile-Partner Michael Rogers (AUS) den größten Erfolg seiner Karriere.
"Ich habe gesehen, dass meine Beine gut sind und habe es erneut probiert. Ich bin sehr glücklich", freute sich Kessler, der vor sechs Jahren das Gelbe Trikot der Österreich-Rundfahrt getragen hatte. "Die ersten Tage waren sehr schwierig, aber wird sind es den Fans und dem Team schuldig, uns auf den Sport zu konzentrieren. Jan ist einer meiner besten Freunde, klar, dass ich mit ihm in Kontakt stehe, aber das ist privat", sagte Kessler.
In den Kampf um den Tagessieg konnte Boonen wegen eines Reifendefekts im Finish nicht eingreifen. Er fuhr schonend ins Ziel ("bei einem Sprint wäre die restliche Luft schnell draußen gewesen") und trägt wie nach den zwei Auftaktsiegen im Vorjahr Gelb. Die Führung will er länger behalten. "Der Vorsprung ist nicht groß, aber ich werde versuchen, ihn zu verteidigen", erklärte der Champion, der das Regenbogentrikot mit dem "maillot jaune" tauschte. Er hat eine Sekunde Vorsprung auf Rogers, fünf auf Mitfavorit George Hincapie (USA) und sieben auf Hushovd, der als 63. wie Bernhard Eisel (65.) 17 Sekunden einbüßte.
Die Etappe auf den Strecken von Lüttch-Bastogne-Lüttich und Amstel Gold Race war etwas für die Klassiker-Spezialisten. Im Finish war am kurzen, aber steilen Cauberg Spritzigkeit gefragt und da bewies Georg Totschnig Stärke. Nach Rang neun - dem bereits vierten Top-Ten-Platz des ÖRV-Trios - ist das Selbstvertrauen des Tirolers, der längere Anstiege bevorzugt, gestiegen. Gut geführt von Peter Wrolich kam der Co-Kapitän des Teams Gerolsteiner bisher ohne Sturz durch, die Hitze von 30 Grad und lange Etappen kosten allerdings Substanz. Als 62. hat Totschnig 50 Sekunden Rückstand.
Valverde nach Sturz aus dem Rennen
Die 93. Tour hat am Dienstag erneut einen Mitfavoriten verloren. Beim Spanier Alejandro Valverde war aber nicht wie bei seinen vor dem Auftakt ausgeschlossenen Kollegen ein Dopingverdacht der Grund, sondern ein Sturz. Der Vize-Weltmeister, im April Klassiker-Sieger in Lüttich und bei der Fleche Wallonne in Belgien, zog sich rund 25 Kilometer vor dem Ziel einen Schlüsselbeinbruch zu und wurde mit der Rettung in ein Spital gebracht. Fred Rodriguez USA) hatte zwei Stunden zuvor die gleiche Verletzung erlitten. Bei diesem Sturz erwischte es auch den Niederländer Erik Dekker. Der Sieger von vier Tour-Etappen musste ebenso aufgeben.
Wie schon auf den ersten zwei Etappen war eine Ausreißergruppe lange Zeit im Blickpunkt gestanden. Das Quintett Jens Voigt (GER), Jerome Pineau (FRA), Jose Luis Arrieta (ESP), Christophe Laurent (FRA) und Unai Etxebarria (VEN) hatte sich nach einer Attacke des Deutschen nach 16 Kilometern gebildet und machte alle sechs Bergwertungen (4 mal 4. Kategorie, 2 mal 3.) in den belgischen Ardennen und im holländischen Limburg unter sich aus. Die über knapp 200 Kilometer führende Flucht war 5 km vor dem Ziel zu Ende. Pineau aus dem Team Bouygues Telekom übernahm immerhin das Trikot des besten Kletterers. (APA)