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Brasiliens alte Garde: Coach Carlos Alberto Parreira und Beraterguru Mario Zagalo.

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Frankfurt/Main - Der Topfavorit ist gescheitert. Brasilien musste sich am Samstagabend im Fußball-WM-Viertelfinale in Frankfurt Frankreich mit 0:1 geschlagen geben. "Wir sind sicherlich nicht zu früh aus dem Turnier ausgeschieden, aber gerechnet haben wir noch nicht damit", meinte Nationalcoach Carlos Alberto Parreira relativ gefasst, nachdem sein Team zum dritten Mal in Folge nach 1986 und 1998 bei einer WM an den Franzosen gescheitert war.

Die Gründe für das enttäuschende Turnier des entthronten Weltmeisters sind vielfältig. Die Schlüsselspieler präsentierten sich nicht in Bestform, körperliche Defizite waren nicht zu leugnen und als homogene Einheit präsentierte sich die Mannschaft nie. Waren die wenig überzeugenden Siege gegen Kroatien, Australien und Japan sowie im Achtelfinale gegen Ghana noch schön geredet worden, so bekam die Seleçao von den Franzosen ihre Grenzen aufgezeigt. "Uns haben gewisse Dinge gefehlt", gab Parreira zu, der sein Amt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit räumen muss und der am Samstag mit einer sehr defensiven Grundaufstellung mit nur einem Stürmer überrascht hatte.

Zuletzt waren die Brasilianer 1990 in Italien nach einer 0:1-Niederlage im Achtelfinale gegen Argentinien nicht ins Endspiel gekommen. Parreira machte die kurze Vorbereitungszeit, den dichten europäischen Terminplan und die vielen Spiele, die seine Kicker bei ihren Klubs zu absolvieren haben, für das frühe Ausscheiden verantwortlich.

"Ich bereue nichts, aber als brasilianischer Teamchef trägt man immer die Verantwortung", meinte der 63-Jährige, der die vielen Individualisten in ein erfolgsorientiertes System zu integrieren versuchte. "In dieser Form hat die Mannschaft zu selten zusammen gespielt. Wir hätten mehr Zeit gebraucht", begründete Parreira. Dass sein Team um Weltfußballer Ronaldinho am hohen Erwartungsdruck zerbrochen sei, wollte er nicht wahr haben.

Warum es trotz dem ungeheuren Pool an Talenten und Superstars nicht zum sechsten Titel gereicht hat? "Es gab die gesamte WM Abstimmungsprobleme", meinte Pele, die Legende. In der Offensive fehlte bei aller technischer Qualität zum Großteil die Bewegung. Ronaldo holte sich mit drei WM-Toren immerhin den ewigen Rekord des Deutschen Gerd Müller, enttäuschte aber wie auch Sturmkollege Adriano trotzdem.

"Gegen Frankreich haben wir dann auch noch dumme Fehler gemacht", meinte Parreira. Das entscheidende Tor fiel nach einer Standardsituation durch den völlig ungedeckten Thierry Henry. Der Teamchef musste sich auch den Vorwurf gefallen lassen, an den in die Jahre gekommenen Außenverteidigern Cafu (36) und Roberto Carlos (33) festgehalten zu haben. Beide haben ihren Zenit überschritten. Während Frankreich mit der im Schnitt ältesten Mannschaft aller 32 WM-Teams noch einmal vom Titel träumen darf, wird in Brasilien den notwendigen Generationswechsel vollzogen werden.

Parreira denkt nach

Über seine Zukunft will Parreira erst nach dem WM-Finale entscheiden. Vorher werde er mit dem brasilianischen Verbandspräsidenten Ricardo Teixeira sprechen, erklärte er. "Diese Niederlage können wir nicht abschütteln", meinte er. "Aber wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, erinnere ich mich an all die guten Dinge, die ich geleistet habe. Die positiven Leistungen, die ich erreicht habe, wiegen mehr als diese Niederlage", ist sich der Trainer sicher. (APA/red)