Hamburg - Ein Jahr nach der Debatte über die
Vergangenheitsbewältigung im deutschen Auswärtigen Amt tut sich die
deutsche Diplomatie weiterhin schwer mit dem Andenken an
NS-Funktionäre, schreibt das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der
Spiegel" in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe. Seit Monaten
werde intern darüber diskutiert, wie man mit dem Bild von Konstantin
von Neurath, dem ehemaligen Reichsaußenminister Hitlers und
"Reichsprotektor von Böhmen und Mähren" verfahren soll, das in der
Galerie früherer Amtsinhaber vor der Bürotür des deutschen
Botschafters in London, Wolfgang Ischinger, hängt.
Konstantin Freiherr von Neurath war von 1930 bis 1932 unter der
Weimarer Republik deutscher Botschafter in London, diente später als
erster Außenminister Hitlers und dann als "Reichsprotektor von Böhmen
und Mähren" - als solcher von Reinhard Heydrich entmachtet - und
wurde schließlich in Nürnberg unter anderem wegen "Verbrechen gegen
die Menschlichkeit" zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Zunächst
sollte Neuraths Bild anlässlich des Botschafterwechsels von Thomas
Matussek auf Ischinger im Frühjahr abgehängt werden; das geschah
nicht. Stattdessen hat Ischinger jetzt die Weisung erteilt, die
Botschaft solle gemeinsam mit dem Deutschen Historischen Institut
Plaketten mit den biografischen Daten der ehemaligen Botschafter
anfertigen.
Keine allgemeine Regelung
Das Außenamt in Berlin billigt zwar das Vorgehen Ischingers, kann
sich aber zu keiner allgemeinen Regelung durchringen. Man werde die
Empfehlungen der Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte
des Amtes abwarten, hieß es. Kommissionsmitglied Eckart Conze sieht
weiterhin ein "Primat der Tradition über die politische und
moralische Bewertung von Verbrechen". (APA)