Christian Wabl diagnostiziert eine "Gesundheitskrise": Er klagt Land und Bund.

Foto: Standard/P. Philip

Hanns Moshammer: Studien zeigen, Lkws vor der Schule machen Kinder krank.

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Martin Blum: Weniger Verkehr bedeutet weniger Belastung.

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Georg Rebernig: Belastung durch Feinstaub verkürzt die Lebenserwartung.

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Graz – Manch einer wunderte sich am Donnerstag über den gewählten Zeitpunkt einer Standard-Debatte „Strategien für saubere Luft“, bei der Maßnahmen gegen Feinstaub in Graz, der nachweislich am schlimmsten betroffenen Stadt Österreichs, diskutiert wurden. Doch macht es Sinn außerhalb der Feinstaub-Saison, wenn ab Oktober die von der EU vorgegebenen Grenzwerte wieder fast täglich überschritten werden, die Problematik nicht zu vergessen.

Alljährliches Klagen

Denn in den vergangenen Jahren beklagten die zahlreichen Bürgerinitiativen im Herbst stets: „Es ist schon wieder so weit, und nichts hat sich in der Zwischenzeit getan.“ Welche kleinen Schritte und gleich bleibende Belastungen sich in der Zwischenzeit tatsächlich ereignet haben, diskutierten in der von Standard-Chefredakteur Gerfried Sperl moderierten Diskussion im Grazer Kunsthaus Martin Blum vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ), Hanns Moshammer, Oberarzt am Institut für Umwelthygiene, Georg Rebernig, der Geschäftsführer des Umweltbundesamts und der Sprecher der Grazer Bürgerinitiative „Feinstaub. at“, Christian Wabl, der die Republik und das Land Steiermark klagte (siehe Artikel hier).

Dass Feinstaub, also die so genannten PM10-Partikel in der Atemluft, gesundheitsschädigend ist, ist mittlerweile unbestritten, betonte der Umwelt- und ArbeitsmedizinerMoshammer. Wie sehr, belegte Rebernig, der eine neue Studie, die das Bundesumweltamt durchgeführt hat, in Auszügen präsentierte. Demnach reduziere der feine Staub, der vor allem durch Dieselfahrzeuge in die Luft gerät, den Österreichern durchschnittlich neun Monate ihrer Lebenserwartung. In Graz, einer Stadt, die auch bedingt durch ihre Wetterlage im Spitzenfeld der Belastung europaweit ist, sind es 17 Monate. Allein der Beckenlage und dem Wetter in Graz die Schuld zu geben und sich ins Schicksal von mehr Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu fügen, das ist Martin Blum vom VCÖ zu wenig: „Wenn der Verkehr bei gleicher Wetterlage an den den Wochenenden um 40 Prozent abnimmt, kann man in Graz einen Rückgang von Feinstaubum 36 Prozent messen.“

Plädoyer für Kostenwahrheit

Für Blum wäre eine City-Maut nach wie vor eine Möglichkeit, die Lebensqualität der Grazer zu verbessern: „Wenn ein soziales Verkehrsmittel wie die Straßenbahn zwei Euro kostet, warum soll dann ein Autofahrer, der in die Stadt fährt nicht auch zwei Euro bezahlen?“ Ein Zugang, der auch fürRebernig nicht fremd ist: „Es ist nicht einsehbar, warum mehr Straße für einen Wirtschaftsstandort besser sein soll als mehr öffentlicher Verkehr.“

Sperl und Wabl zeigten sich von jenem Modell, das in der Energiekrise der 70er Erfolg hatte, angetan. Damals hatte jeder PKW an jeweils einem bestimmten Wochentag Fahrverbot. „Das wurde von der Bevölkerung angenommen, weil es eine Ölkrise gab“, erinnert sich Wabl, „heute haben wir eine Gesundheitskrise.“ (Colette M. Schmidt, DER STANDARD Printausgabe, 01./02.07.2006)