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STANDARD: Der Brennertunnel steht auf der Brüsseler Prioritätenliste ganz oben. Sie kritisieren das Projekt hingegen als mögliches Milliardengrab. Wie begründen Sie das?

Roth: Der Tunnel selbst ist sinnvoll, da ja das Verkehrsaufkommen steigt und steigt. Aber damit er seine Aufgabe auch erfüllen kann, sind gewisse ordnungspolitische Rahmenbedingungen notwendig. Ich muss also dafür sorgen, dass bereits in Frankfurt oder Köln die Lkws auf die Schiene kommen, sonst bleibt der Tunnel leer. Der Brennertunnel hat nur dann Sinn, wenn er von den Frächtern in eine Strecke von Rotterdam nach Italien einbezogen wird. Aber so schaut es nicht aus, die Straße ist ja noch immer viel billiger.

STANDARD: Sie plädieren für mehr Kostenwahrheit?

Roth: Die EU kann nicht einerseits den Verkehr auf die Bahn verlagern wollen und auf der anderen Seite Österreich höhere Maut für die Lkws verbieten. Mit dem derzeitigen Mautniveau rechnet sich der Tunnel nie, da drohen riesige Verluste, für die Österreich und Italien auf Dauer aufkommen müssten. Die Schweiz hingegen kann ihre Maut frei festlegen (sie ist dort bis zu dreimal so hoch wie in Österreich, Anm.), und da rechnet sich dann auch ein Umstieg auf die Bahn und damit auch ein Bahntunnel. In der EU hingegen sind die Transitländer benachteiligt, das gilt im Übrigen auch für Deutschland. Wenn der Brennertunnel zu einem Erfolg werden soll, dann muss es eine völlige Änderung der Verkehrspolitik der Kommission geben. Ich kann niedrige Mauten wollen oder einen teuren Eisenbahntunnel, aber beides zusammen geht nicht.

STANDARD: Wird die Europäische Investitionsbank, die ja einen guten Teil des Tunnels finanzieren soll, diese Bedenken in die Finanzverhandlungen einbringen?

Roth: Wir können keine politischen Bedingungen in die Diskussion einbringen. Aber derzeit dürften wir das Projekt gar nicht finanzieren. Unsere Statuten sehen vor, dass wir uns nur an Projekten beteiligen, die irgendwann einmal aus der Verlustzone herauskommen werden. Beim Brennertunnel und dem geplanten Mautniveau wird dies niemals der Fall sein.

STANDARD: Die EIB wird den Brennertunnel aus jetziger Sicht also nicht finanzieren?

Roth: Das kann ich so nicht sagen, vielleicht stimmt ja unser Verwaltungsrat gegen die eigenen Statuten. Allerdings hat er das bisher noch nie gemacht. Es wäre aber nicht das erste Projekt, das wir ablehnen: Die Messina-Brücke in Italien hätte sich auch nie gerechnet, deswegen haben wir abgewunken, das war einfach nicht darstellbar.

STANDARD: Welches Interesse hat die EU-Kommission an der niedrigen Lkw-Maut?

Roth: Die starke niederländische Frächterlobby hat sich durchgesetzt, und dann ist die Mobilität nach Meinung der EU-Kommission wichtig für das Wirtschaftswachstum. Was aber nicht mehr stimmt, denn Wirtschaftswachstum und Verkehr haben sich entkoppelt. Die Wirtschaft wächst etwa um drei Prozent und der Verkehr um sechs Prozent. Dann hat man auch gemeint, der Verkehr werde durch das Internet zurückgehen, es werde weniger Geschäftsreisen geben – falsch. Durch das Internet können jetzt Preise weltweit verglichen werden, was den Warenverkehr weiter ankurbelt.

STANDARD: Die Bahn hat davon aber nur unterdurchschnittlich profitiert.

Roth: Ja, aber sie hat gewaltige Chancen. Dazu braucht sie aber bessere Bahnhöfe mit besseren Umlademöglichkeiten. Der ehemalige Chef der ÖBB, Helmut Draxler, hat das als einer der Ersten erkannt. Leider wurde sein Projekt dann ja unterbrochen und Draxler durch einen Landsmann von mir ersetzt, der das weniger gut verstand. Aber gut, ihr habt ihn ja wieder nach Hause geschickt. (DER STANDARD Printausgabe, 01./02.07.2006)