Schauplatz Oper: Sonntag, kurz nach 21 Uhr
Der Bus fährt vor. Die fünf Bewohnerinnen und sieben Bewohner ziehen unter größem Medieninteresse in die Container ein. Die Sonntagskrone - die vor die Gesichter der AsylbewerberInnen gehalten wird - soll Anonymität gewährleisten - die spätestens innerhalb der Containerlandschaft aufgelöst wird. (
webfreetv
überträgt 24 Stunden live)
12 SchauspielerInnen sollen in Schlingensiefs Projekt "Bitte, liebt Österreich! - erste europäische
Koalitionswoche" die Ausländer-Politik nachvollziehbar machen.
"Laßt uns dieses Österreich bis zur letzten Konsequenz durchspielen", so Schlingensief bei der Eröffnung des 7-Tage Spiels.
"WÄHLEN SIE IHREN AUSLÄNDER!"
Zwölf AsylbewerberInnen unterschiedlicher Herkunft finden eine kurze Zwischenstätte in einer Containernlandschaft, die zum einem "FPÖ-Teritorium" erklärt wurde. Zwei Fahnen markieren den Wind der hier weht, in großen Lettern steht "Ausländer raus" geschrieben, auf den Wänden der Container stehen politsche "Sager", die eine rassistische Grundhaltung wiederspiegeln.
Nach dem Vorbild der TV-Serie "Big Brother" sollen bis 17. Juni via Telefonwahl jeden Tag
zwei BewohnerInnen aus den Containern gewählt und "abgeschoben" werden. Kurzfristig zog auch der österreichische
Schauspieler Paulus Manker als erster einer Reihe von prominenten Gästen in den Container.
"WÄHLEN SIE
IHREN
AUSLÄNDER !"
GEBEN SIE IHM
IHRE STIMME !
WERFEN SIE
TÄGLICH ZWEI AUS
DEM LAND !
DIE ABSCHIEBUNG
LÄUFT !
SIE HABEN DIE
MÖGLICHKEIT IHRE
JEDERZEIT UND
MEHRFACH
WAHLBERECHTIGTE
STIMME ONLINE ODER
PER
TED-TELEFONNUMMER
ZU VERLAUTBAREN.
TÄGLICH WERDEN DIE
ZWEI PUNKTHÖCHSTEN
ENTFERNT.
ZUR SELEKTION
STEHEN:
-
Heiratswillige, die
dem/der
Schlußselektierten
bei der
Einbürgerung zur
Seite stehen
wollen, können sich zur
Lagerauflösung (Abenddämmerung
des 17.6.)
einfinden.
Die BewohnerInnen
0820-613-100
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Gong Xiaowei, Chinesin:
Die 35-jährige Journalistin aus Peking ist eine ruhige Person. Menschen, die sich immer in den Vordergrund
spielen müssen, nerven sie. Als erklärte Feministin wird ihr wohl kaum Akzeptanz entgegengebracht werden.
0820-613-101
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Nerem Njawé, Kameruner:
Der 30-Jährige ist in Bamenda geboren. Seine Eltern sind seit Generationen im Besitz von
Teeplantagen, aber Nerem hat sich nie besonders für Tee interessiert, sagt er. 1988 zog er also lieber in die Hauptstadt
Yaounde, um dort bis 1992 Agrarwissenschaften und Ökonomie zu studieren. Nerem ist ein begeisterter Fußballspieler - vielleicht ist das seine Chance - der Österreichische Fussball könnte gute Leute gebrauchen.
0820-613-102
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Teresa Beqiri, Kosovo-Albanerin:
Die 46-jährige Kosmetikerin aus Gnjilane wurde im Dezember 1994 von der Polizei, die angab, nach gefälschten Pässen zu suchen, in ihrer Wohnung
festgenommen. Sie wurde geschlagen und mit Vergewaltigungen bedroht. Anschließend brachte man sie vor Gericht
und klagte sie an, die "territoriale Integrität Jugoslawiens zu unterminieren". Während ihrer Inhaftierung wurde sie von
Polizeibeamten immer wieder gefoltert und auf andere Weise mißhandelt. Die Verhandlungen mußten wegen ihres
Gesundheitszustandes, der aufgrund der Folterungen stark angegriffen war, immer wieder unterbrochen werden.
Schließlich verurteilte man Teresa zu fünf Jahren Gefängnis. Im Frühjahr 1998 wurde sie vorzeitig entlassen und es
gelang ihr, nach Österreich auszureisen. Gegenüber solchen Schicksalen ist man ist Österreich schon abgebrüht. Auf Mitleid sollte Teresa besser nicht setzen.
0820-613-103
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Wole Osifo, Nigerianer:
Der 30-Jährige aus Lokoja
wurde 1996 während eines gewaltfreien Protestes gegen die Festnahme des schiitischen Religionsführers
Ibrahim El-Zakzaky und seiner 20 Anhänger festgenommen und wegen illegaler Versammlung angeklagt. Monatelang
wurde der bekennende Schiite, der nach eigenen Aussagen Fanatismus immer ablehnt, nicht vor Gericht gestellt. Bei
einer vorzeitigen Entlassung aus der Haft gelang es ihm, mit seiner Familie das Land zu verlassen. Seit Anfang 1997
lebt Wole in Österreich. Für eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich erscheint dieser Mensch zu politisch aktiv.
0820-613-104
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Leila al-Hashimi, weiblich, Irakin:
Die 44-jährige Lehrertochter aus Bagdad floh mit ihrem Mann nach Österreich. "Wir wollen versuchen,
unser Leben 'durch eine Kombination von Vergessen und Erinnern' wieder aufzubauen", erzählt Leila. Ihr Mann war Festnahmen mit Folterungen mit Elektroschocks ausgesetzt. Da ihr Mann der Mensch mit dem "tragischen Schicksal" ist, und nicht sie, wird auch sie es schwer haben. Von Familienzusammenführung hält man in diesem Land nicht viel.
0820-613-105
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Eugen Major, Simbabweer:
Der 28-jährige Journalist und Farmersohn aus der Hauptstadt Harare versteht sich als großer
bekannte sich schon früh zu seiner Homosexualität und engagierte sich ehrenamtlich bei einer örtlichen Schwulen- und
Lesbenorganisation. Die
exzessive Diskriminierung Homosexueller von seiten der Regierung in Simbabwe führte dazu, dass Eugen seinen Beruf
als Journalist nicht länger ausüben konnte.
Nachdem Mugabe dann im Mai 1998 erklärte, dass die Verfassung Freiheit für alle garantiere – „except for gays“, und
Eugen vorübergehenden polizeilichen Gewahrsam genommen wurde, sah er sich gezwungen, das Land zu verlassen.
Seit Juli 1998 lebt er in Wien.
0820-613-106
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Dumiso Mungoshi, Simbabweeer:
Der 28-jährige Journalist und Sohn einer Farmerfamilie, lebt in der Hauptstadt Harare.
Im Oktober 1994 erließ die Regierung eine Direktive, der zufolge Angehörige der Zeugen Jehovas kein Recht auf
Staatsbürgerschaft besitzen, weil die Sekte "den Staat und seine Gesetze nicht anerkennt". Dumiso war es bald nicht mehr möglich, seinen Beruf auszuüben. Im
Frühjahr 1999 sah er sich deshalb gezwungen, das Land zu verlassen. In Österreich hoffte er, seinen Glauben
ungehindert leben zu können. "Ich dachte, mein neues Leben hier vielleicht als "Wachturm"-Verkäufer beginnen zu
können", sagt Dumiso heute.
0820-613-107
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Ramus Pirok, Kosovo-Albaner:
Der 37-jährige Sportlehrer aus Pristina versteht sich als Lebenskünstler.
Im Zuge der Unterdrückung der Albaner im Kosovo verlor Ramus Ende 1993 zunächst seinen Job. Im Sommer 1996
wurde seine Wohnung beschlagnahmt und er fand mit seiner Familie bei Verwandten in Prizren Unterschlupf. 1998
wurde er von einem serbischen Spezialkommando der Polizei auf offener Straße aufgegriffen und für mehrere Wochen
inhaftiert. Als sich Anfang 1999 die Lage dramatisch zuspitzte, gelang es Ramus und seiner Familie den Kosovo noch
vor Einsetzen der Nato-Bombardements zu verlassen. "Wir haben Glück gehabt", sagt er heute. Seit März 1999 lebt
Ramus in Österreich. Ob das Glück anhält, werden wir sehen.
0820-613-108
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Malika Azujewa, Tschetschenin:
Dei 29-jährige Kindergärtnerinkommt aus Grosny.
Im Oktober 1999 wurde Malikas Haus von Bomben zerstört. Kurz darauf wurde ihr Bruder getötet und ihr Vater kam bei
einem Bombenangriff ums Leben. "Damals verlor das Leben jeden Sinn für mich", sagt sie. Malika fand mit ihrem
jüngeren Bruder und ihrer Mutter Unterschlupf in einem alten Waggon. Eines Tages kamen russische Soldaten in ihre
Unterkunft und töteten ihren jüngeren Bruder. "Er war behindert, doch für sie war er ein Terrorist." Anfang dieses Jahres
gelang es Malika, der Hölle von Grosny zu entkommen und nach Österreich zu gelangen. Sie steht in Konkurrenz zu den anderen Kriegsflüchtlingen.
0820-613-109
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Vahan Virabin, Armenier:
Der 36-jährige Werkzeugmacher aus Jerewan war lange Zeit ein begeisterter Amateurfussballer. Er ist
verheiratet und hat eine Tochter, die er zusammen mit seiner Frau bei seiner Flucht zurücklassen mußte. Als Grund
nennt er panische Angst, nachdem er während einer religiösen Veranstaltung im Hare-Krishna-Tempel in Jerewan von
eindringenden uniformierten Männern mit Eisenstangen krankenhausreif geschlagen wurde. Als sich ihm die Möglichkeit bot, mit Hilfe eines Schleppers über die Tschechische Republik nach
Niederösterreich zu kommen, zögerte er nicht lange.
0820-613-110
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Sema Kolat, Kurdin:
Die 38-jährige Sekretärin liebt alle Extremsportarten.
1998 wurde Semas Mann verhaftet und wegen des Besitzes einer unregistrierten Schußwaffe in der Antiterrorabteilung
des Polizeipräsidiums verhört. Er sagte, daß ihm die
Augen verbunden und er mit Elektroschocks gequält wurde. Dann hatte man ihn an den Armen aufgehängt und mit
dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Kemal erstattete beim Staatsanwalt Anzeige, woraufhin ihn zwei
Polizeibeamte aufsuchten und ihm damit drohten, ihn anzuzünden und zu verbrennen. In völliger Verzweiflung setzte
sich Kemal im September 1998 selbst in Brand. Nach seinem Freitod wurde Sema von der Polizei massiv bedroht. Im
Frühjahr 1999 gelang ihr mit ihren Kindern die Flucht nach Österreich. Seither lebt sie hier.
0820-613-111
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Zhu Qiang, Chinese:
Der 40-jährige Meeresbiologe wurde 1989 auf dem Weg zu seinem Institut verhaftet, nachdem er eine Petition zur Freilassung politischer
Gefangener mitunterzeichnet hatte und wurde wegen "konterrevolutionärer
Agitation und Propaganda" und Störung der sozialistischen Ordnung zu zehn Jahren Haft verurteilt. 1997 wurde Zhu
vorzeitig aus der Haft entlassen, weil er "aufrichtig bereut" habe. Während der Haft hat er seine Mitgefangenen in
Meereskunde unterrichtet, was ihm nach eigener Aussage großen Spaß gemacht hat. Ein halbes Jahr nach seiner
Entlassung wurde Zhu während eines Treffens demokratischer Aktivisten erneut verhaftet. Zusammen mit zwei anderen
Häftlingen gelang ihm im November 1997 die Flucht aus dem Gefängnis. Er hatte das Glück, im Kofferraum eines
PKWs China unentdeckt verlassen zu können. Im Februar 1998 kam er über die tschechische Westgrenze nach
Österreich.
(pd)