Natürlich gab es vereinzelt Betriebe, denen es nicht genügte, möglichst viele Leute mit möglichst unaufwändig hergestelltem Wein im Heurigen abzufüllen. Nach langen Zeiten des "Zu was brauch ma des" und der untauglichen Versuche, die Wein-Sache mit Marken à la "Vienna Classic" wiederzubeleben, traten in jüngerer Zeit Produzenten auf den Plan, die sich der Sache mit viel Herzblut und Weitsicht annahmen. Wichtige Impulse kommen dabei nicht nur von etablierten Betrieben, wie z. B. Wieninger, Zahel, Edelmoser und Christ, die sich zu "WienWein" zusammenschlossen (DER STANDARD berichtete), sondern auch von Quereinsteigern, die sich aus unterschiedlichsten Motiven mit Weinbau befassen und dabei zeigen, dass es auf Wiener Boden nicht nur möglich ist, viel Wein für den Heurigen zu produzieren, sondern dies auch in Qualitäten, die höheren Ansprüchen genügen: nämlich feine Vertreter der für Wien typischen Weinstile und Rebsorten wie Riesling oder Grüner Veltliner.
Jutta Ambrositsch hat für den Weinbau ihren Beruf als Werbegrafikerin an den Nagel gehängt. Vor allem die Arbeit im Weingarten mache es aus, erzählt sie. Sie bewirtschaftet 1,5 Hektar Riesling und Grünen Veltliner am Nussberg und auf dessen Nachbarhügel, dem Reisenberg. Vinifiziert wird gemeinsam mit Fritz Wieninger in Stammersdorf, wo Quereinsteiger nicht nur als Bereicherung empfunden und "mit Freude und Stolz" unterstützt werden, so Wieniniger, sondern auch mit Logistik und Know-how, sofern es die Kapazitäten zulassen.
In Ambrositschs ersten beiden Jahren entstanden zwei bemerkenswerte Rieslinge mit klaren, typischen Steinobstaromen sowie ein "Gemischter Satz", ein für Wien und die Heurigenkultur typischer Wein aus einem mit unterschiedlichen Rebsorten bepflanzten Weingarten. Die 33-jährige, die Praktikantin bei "John" Nittnaus in Gols war, bei Wieninger und Uwe Schiefer im Südburgenland "immer wieder mitgearbeitet" hat und auch Kurse an der Weinbauschule Klosterneuburg absolvierte, kann der Heurigenidee viel Positives abgewinnen. Heurigen ist ein Ziel auf längere Sicht, so Ambrositsch, die ihre Vorliebe für "das Archaische an Buschenschänken" aus ihrer südburgenländischen Heimat mitgebracht hat.
"I bin a Ang'lernter", erklärt Manfred Felix, der im Lauf der Jahre mit seinen Rieslingen, die auf den "Filetstücken" des Nussbergs, in den Subrieden Gollin, Obere Schoß und Rosengartl wachsen, diverse Preise einfuhr. Er arbeitete noch als "Bauingenieur in leitender Funktion", als er 1986 begann, die Weinflächen wieder herzurichten, die er von seiner Großmutter geerbt und nach Jahren der Verpachtung "in einem schlimmen Zustand" zurückerhalten hatte. 1990 holte er sich spezielle Setzlinge, für die er mit seinem Bus nach Hochheim am Rhein fuhr. "Riesling macht mir die größte Gaumenfreude", erklärt Felix. Und als Kleinbetrieb sei mehr als eine Sorte ohnehin "logistischer Wahnsinn". Seine Stahltanks hat der Pensionist bei Matthias Hengl eingestellt, der auch Traktorarbeiten übernimmt. Die Pflege der Rebstöcke ist Felix' Passion, und deshalb arbeitet er jeden Tag ab neun Uhr im Weingarten - "bis es mir zu heiß wird".
"Ausgleichssport"
Für Peter Uhler wieder ist Weinmachen "Ausgleichssport" zu seinem Beruf als Geiger im Radio-Symphonieorchester Wien und bei den Neuen Wiener Concertschrammeln. Weingartenarbeit sei für ihn "physisch wie psychologisch wichtig". Uhler und seine Frau Monika machen "wirklich alles selbst", vom Traktorfahren auf 0,8 Hektar am Reisenberg bis zur Verarbeitung der Grünen Veltliner- und Rieslingtrauben auf zehn Quadratmetern im Häuschen in der Kleingartensiedlung Arnoldsau. "Ich war immer an Landwirtschaft interessiert und mag die Arbeit mit Pflanzen. Dadurch bin ich zum Wein gekommen." Zuerst kaufte er "ein paar Kilo Trauben" von Matthias Hengl, "um herumzuprobieren", dann wurden ihm Flächen angeboten. Gelernt habe er aus Büchern und "vielen Gesprächen." Auch Uhlers Weine wurden mit einer Goldmedaille bei der Landesweinkost Wien ausgezeichnet.