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Rechtzeitig zur Ausschreibung der ORF-Führung für die nächsten fünf Jahre riefen die Grünen zur Sondersitzung des Nationalrats.

Foto: APA/Schlager
ORF-Generalin Monika Lindner holte sich die Schelte persönlich ab, an ihrer Seite Alexander Wrabetz, Sozialdemokrat und kaufmännischer Direktor der Anstalt. Auf den Zuhörerrängen lauschten sie Grünen-Chef Alexander Van der Bellen: "Die ORF-Führung hat bewiesen, dass sie ein Klima nicht herstellen kann oder will, das Objektivität, Pluralität und Unabhängigkeit von parteipolitischer Einflussnahme sichert." Neben Van der Bellen auf dem Rednerpult – und damit live im ORF: das Testbild mit eingeblendetem ÖVP-Logo.

Lindner ein weiteres Mal "durchwinken"

Die Volkspartei wolle Monika Lindner im Stiftungsrat ein weiteres Mal "durchwinken", sagte Van der Bellen. Sie gehe mit dem ORF um, als wäre der "ORF ihr Privatsender". Dann solle sie ihn doch besser gleich kaufen. Sie wünsche sich die Anstalt aber "als 13. Ministerium dieser Bundesregierung, ein weiteres ÖVP-geführtes Ministerium".

Kanzler verschenkt TV-Sekunden

Kanzler Wolfgang Schüssel verzichtete schon wieder auf Fernsehsekunden: Zuletzt ließ er BZÖ-Spitzenkandidat Peter Westenthaler den Vortritt in der "Pressestunde" – und dieser Kanzlerwunsch ward ORF-Programm. Donnerstagnachmittag ersparte sich Schüssel die Sondersitzung zum ORF und schickte Medienstaatssekretär Franz Morak. Eine originell gesetzte Pause des früheren Burgschauspielers freute die Opposition, als er den Antrag der Grünen zitierte: "Besitzergreifung des ORF durch eine politische Partei" – "soweit die Fakten". Pause. Johlen.

Moraks "Fakten", um ÖVP-Dominanz auf dem Küniglberg zu widerlegen: eine rote Mehrheit bei den ORF-Arbeiterkammerwahlen. Jörg Haider und Alfred Gusenbauer kamen in der "ZiB 1" im Mai am längsten zu Wort.

Molterer: "Sie entmachten den Stiftungsrat"

Angriffiger naturgemäß VP-Klubchef Wilhelm Molterer in Richtung Opposition: "Sie entmachten den Stiftungsrat. Sie ziehen die Entscheidung über die künftige Führung aus dem Stiftungsrat in die parteipolitische Dimension des Parlaments. Es geht ihnen um politischen Einfluss." Kein Einzelschicksal in der Politik. Molterer erinnerte an Geschäftsverbindungen des grünen Stiftungsrates mit der Anstalt und an ehemalige und spätere SP-Sekretäre in ORF-Führungspositionen.

"Alle Parteien haben Fehler gemacht in Bezug auf den ORF. Wir geben sie zu", antwortete SP-Mediensprecher Josef Cap. "Noch nie" habe eine politische Partei derart Einfluss auf den ORF genommen, die VP habe damit "die Glaubwürdigkeit des ORF auf dem Gewissen". BZÖ-Mediensprecher Uwe Scheuch lehnte einmal mehr den Antrag der Grünen auf geheime Generalswahl im ORF ab. Wie die ÖVP. (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2006)