"Rogue traders"
Nur 0,01 Prozent der rund 50.000 Beschwerden, die europaweit pro Jahr bei den diversen Werberäten eingehen, betreffen die sogenannten "Rogue traders". Trotzdem seien sie ein wachsendes Problem. Zweifelhafte Verzeichnisdienste agieren auch von Stammsitzen in Österreich aus und machen grenzüberschreitend Geschäfte, das sieht Heinrich Schuster, Präsident des Österreichischen Werberates, als Gefahr für den Ruf des Landes: "Wir dürfen kein Eldorado für Gauner werden".
Selbstregulierung
Der Werberat forciert sein Internet-Portal werberat.at als Plattform für einschlägige Beschwerden und kooperiert dabei mit dem Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, der Klagsfähigkeit hat und sie auch nutzt. Mit Erfolg, so Verbandsgeschäftsführer Hannes Seidelberger: Dem Verzeichnisdienst "Construct Data" sei eine Klage ins Haus flattert, obwohl dieser nur von Österreich aus agiere, im Land selbst aber nicht tätig sei. Das Oberlandesgericht Wien habe die Klagslegitimation in diesem Fall bestätigt.
Schuster sei zwar "für klar formulierte Gesetze, wenn es um Betrug geht", bei einer weiteren Aufgabe eines Werberates, der Einhaltung von ethischen Standards in der Kommunikation, sei das anders: "Wo es um Interpretation und gesellschaftlichen Konsens geht, brauchen wir gesetzlichen Freiraum".
Direct-Mail-Standards
Dass es "Rogue Traders" gibt, ist für EASA-Generalsekretär Oliver Gray kein Thema der Standards in der Werbung oder bestimmter Werbeformen: "Wir haben kein Problem mit Direkt-Marketing, aber eines mit den Gaunern, die es benutzen". Die Strategie der EASA für effektive Selbstregulierung ist nun die Entwicklung von passenden Direct-Mail-Standards, nicht nur gemeinsam mit den werbetreibenden Unternehmen, sondern auch mit den Postunternehmen.
"Alle müssen mitmachen"
Gray sieht im konzertierten Agieren von Wirtschaft, NGOs, Konsumentenschützern, Interessenvertretungen und staatlichen Stellen den Schlüssel zum Erfolg: "Alle müssen mitmachen, keine betroffene Gruppe darf übersehen werden". Bei fingierten Gewinnspielen etwa sei Kooperation mit den Bank- und Postsektor gefordert. Grays allgemeiner Rat an die Konsumenten: "Unterschreiben Sie nichts leichtfertig, lesen und prüfen Sie alles genau. Gerade jetzt, zu Beginn der Ferienzeit, haben diese Gaunereien per Zuschrift Hochsaison."
Dass die Wirtschaft dringend Lösungen braucht, zeigte Margit Kaluza-Baumruker, Marketingchefin bei Herold Business Data auf: Die Firma "Herold Inc." mit Sitz in Florida hätte den Namen des Marktführers geklaut und unter dem Titel "Österreichisches Branchenverzeichnis" per Erlagschein teure Einträge lukriert.
Wie weit Werbung gehen darf
Unterschiede gab es bei der Frage, wie weit Werbung gehen darf. Sehr weit, meinte Cosima Reif (Agentur Zufallsproduktion). Im Auftrag des Arbeitskreises Holocaust-Denkmal hatte sie in Berlin ein Plakat realisiert, auf dem unübersehbar der Satz stand: "Den Holocaust hat es nie gegeben". Erst im kleineren Zusatztext ging der Satz weiter mit: "Das meinen heute schon einige. In zehn Jahren sind es vielleicht noch mehr. Spenden Sie gegen das Vergessen." Schuster konterte, dass ihm das Risiko des Missverstehens einer solchen Botschaft viel zu groß wäre: "Der Zweck heiligt nicht alle Mittel". "Diskussion ist immer besser als Schweigen", so Reif.