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Wien – Mit zu den am weitestverbreiteten Irrtümern betreffend die Karrierewege von Künstlern zählt ja jener, wonach es genügt, eine Idee zu haben – und dann darauf zu warten, dass die ohnehin latent böse Welt diese Idee auch erkennt und infolge feiert. Tut sie das nicht, fühlt sich der Künstler bestätigt und schmollt. Geborgen in Frust und Schmerz des Kreativen ist die "Weltidee" dann zumeist völlig sicher davor, hinterfragt zu werden.

In ewig gleichen Varianten wird der gründende Einfall dann oft ganze Arbeitsleben lang der Welt vorgehalten. Zumeist kümmert die Welt der Vorwurf wenig. Mit etwas Glück und ein wenig Geschick im Umgang mit der Bürokratie werden aus dermaßen enttäuschen Kreativen dann manch 2. Spalte mal Assistenten, manchmal auch Professoren – selbstberufen dazu, den Irrtum weiter zu tradieren. Zumeist handelt es sich dabei dann um Lehrkörper, die beflissentlich bemüht sind, Apostel zu züchten.

Deren Debüts werden meist in Diplomausstellungen gegeben, also noch im Rahmen der geschützten Werkstätte Hochschule oder Akademie oder Kunstuniversität. Abteilung 3. Spalte für Abteilung wird zu solch feierlichen Anlässen bis in unsere Tage herauf gern die nach jahrelangem Üben endlich erlangte Nähe zur Meisterschaft bekundet. Dem folgt ein Zeugnis, und oft genug der erschütternde Erstkontakt mit dem Bösen draußen.

Man kann aber auch davon ausgehen, dass das Künstler- Sein weniger mit der Adoration Dritter zu tun hat, als vielmehr mit der an sich schlichten, im Alltag aber höchst konsequenzhaltigen Behauptung "Ich bin Künstler!", weniger mit der einen zurechtgebastelten Idee, als vielmehr mit dem Vorsatz, die Welt nicht an einem festen Weltbild zu messen, sondern sich dem Draußen in der Absicht zu stellen, ihm etwas für Dritte womöglich Sinnstiftendes abzugewinnen.

Jedenfalls hat sich die Universität für angewandte Kunst heuer entschlossen, unter dem eingeführten Logo The Essence keine Diplomausstellung zu machen, sondern eine Ausstellung. Eine Schau von Arbeiten der Absolventen diverser Sparten von Architektur über Design, Bühnengestaltung, Bildender Kunst bis Restaurierung, eine Schau unter realen Bedingungen. 4. Spalte Was heißt, dass es mit Edek Bartz einen echten Kurator gibt, mit der MAK-Ausstellungshalle einen echten Museumsraum, und eine Forderung: Nicht länger mehr wollte Bartz die objektgewordenenen Zieleinläufe isoliert von einander präsentiert wissen, nicht länger mehr auch sollte der jeweils einzelne vorgeführt, einer Prüfung ausgesetzt werden. Bartz hat dem Anlass ein Thema übergestülpt: Die Schule als Werkstatt, die Institute als Kollektiv. Bartz hat den einzelnen "Klassen" abverlangt, sich ein Profil zurecht zu legen, ihren Auftritt zu planen – und hat sich vorbehalten, daraus ein Ganzes zu Inszenieren, ein als Präsentation stimmiges Gefüge. Und: gelungen!

The Essence funktioniert als Ausstellung, ist keine beliebige Abfolge von letzten Abendmalen. The Essence nimmt die "Absolventen" ernst, sie werden, vielleicht erstmals nicht als Studenten, sondern als Profis behandelt, als Positionen im Rahmen einer thematischen Gruppenausstellung, so, wie fortan auch. Man sieht zum Beispiel: Erwin Wurms Institut zeigt auf, jenes von Johanna Kandl mauert sich labyrinthartig ein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.6.2006)