Diese über 80-Jährige verkauft seit Jahrzehnten Kernöl auf dem Grazer Kaiser-Josef-Markt. Ihre Arbeitswelt ist eine von vielen, die Jugendliche dokumentierten.

Foto: A-Sozial

Graz - "Sozialschmarotzer ruinieren den Staat, so schaut's aus."Das ist eine der gängigen Biertisch-Sentenzen, gegen die eine inhaltlich und auch ästhetisch einprägsame Wanderausstellung, die bis 7. Juli in Graz ihre erste Station macht, mit Fakten ankämpfen will. Im Auftrag des Sozialressorts des Landes Steiermark baute die "Arge Jugend gegen Gewalt und Rassismus"gemeinsam mit Infodesign-Studierenden der FH Joanneum die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des österreichischen Sozialstaats in Bild und Ton in eine alte Ziegelfabrik im Grazer Bezirk Andritz. Der durchaus provokant gedachte Titel der Ausstellung "A-Sozial"spielt mit dem geradezu schambehafteten Beigeschmack, den der Begriff im herrschenden Neoliberalismus bekommen hat.

Errungenschaften des Sozialstaats

In sieben begehbaren und mit Filmmonitoren, Texten, Bildern und historischen Fundstücken und Urkunden bestückten Schneckenhäusern werden Besucher eines Besseren belehrt: Die Errungenschaften des heute so genannten Sozialstaats seit dem Beginn der Industrialisierung werden als unverzichtbare Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben präsentiert. Die sieben Spiralen, die unter der Leitung der Künstlerin Erika Thümmel gestaltet wurden, machen das Vordringen zum Kern eines Themas im wahrsten Sinne begehbar.

Gegen die angebliche Unfinanzierbarkeit des Sozialstaates argumentiert die Ausstellung mit Statistiken und den "Risiken des Lebens": Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder Wohnungslosigkeit, durch deren Minimierung der Staat am Ende Geld spart.

In einem weiteren Raum der Fabrik werden Fotos präsentiert, die Jugendliche für die Ausstellung in verschiedenen Arbeitswelten gemacht haben: Egal, ob in Hightechbetrieben, im Call-Center, am Bau oder am Bauernmarkt, die jungen Fotografen näherten sich alle mit großem Respekt und optischem Feingefühl ihren "Arbeits-Modellen".

Nächste Station der Ausstellung ist im kommenden Oktober Wien. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD Printausgabe 29.6.2006)