Anstiftung zur Islam-Feindlichkeit sollte nach Meinung des türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden. "So wie Antisemitismus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, sollte auch Islamophobie betrachtet werden", sagte der Chef der gemäßigt-islamischen AKP.

Erdogan warnte in seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am Mittwoch vor einer zunehmenden Islamfeindlichkeit in einer Welt, in der "wir Muslime uns immer stärker belagert fühlen". Mit Hinweis auf die Affäre um dänische Mohammed-Karikaturen sagte Erdogan, man dürfe Meinungsfreiheit nicht mit Beschimpfungs-Freiheit verwechseln.

"Mangelnder Respekt"

Diese Affäre zeige nicht nur einen "mangelnden Respekt vor religiösen Überzeugungen", sondern sei Zeichen einer "wachsenden und gefährlichen Polarisierung zwischen der westlichen und der islamischen Welt". Zur Debatte um die Pressefreiheit meinte er: "Alle Freiheiten haben eine Grenze. Man kann keine grenzenlosen Freiheiten haben - es hat in der Geschichte nie eine unbeschränkte Meinungsfreiheit gegeben."Die Versammlung des Europarats lehnte nach der Rede Erdogans Einschränkungen der Pressefreiheit aus Rücksicht auf die "wachsende Sensibilität gewisser religöser Gruppen"strikt ab. Die Pressefreiheit müsse nicht nur für "harmlose"Ideen gesichert sein, sondern auch für solche, die Teile der Bevölkerung "schockieren, verletzen oder verstören"können, stellte die Versammlung klar.

Übertreibung dürfe nicht als "Provokation" verstanden werden

Debatten, Satire, Humor und Kunst müsse sogar ein "höherer Grad" an Meinungsfreiheit zugestanden werden, forderten die Abgeordneten. Dabei dürfe Übertreibung nicht als "Provokation" verstanden werden. Abgeordnete der Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), darunter mehrere Türken forderten Grenzen für die Pressefreiheit. Sie müssten da gezogen werden, wo religiöse Gefühle verletzt werden könnten. Die dänische Abgeordnete Hanne Severinsen warnte hingegen vor einer "Gesellschaft der Angst und der Selbstzensur". (dpa, AFP/DER STANDARD; Printausgabe, 29.6.2006)