Ein Foto aus dem von Michael Wenk und Barbara Löhr im Ueberreuter Verlag herausgegebenen Bildband "Peter Alexander. Das tat ich alles aus Liebe ..."

Foto: Verlag Carl Ueberreuter

Er verweigert sich zwar seit Jahren als öffentliche Person. Sein Ruhm als einer der großen Tröster des kleinen Mannes bleibt allerdings bis heute ungebrochen.

Wien - Im Jahr 1970 war das Boot noch längst nicht voll. Nach dem wirtschaftlich wie gesellschaftspolitisch vielleicht heitersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts veröffentlichte Peter Alexander damals den aus heutiger Sicht möglicherweise "politischsten" Song seiner Karriere.

Hier ist ein Mensch erschien in einer Zeit anhaltenden Wirtschaftswunderwachstums wie in einem trotz Studentenbewegung und Vietnam, Contergan und architektonischer Gussbetonsünden in den deutschen Zentren noch immer anhaltendem Glauben daran, dass nicht der Einzelne verantwortlich für sein Schicksal zeichne, sondern noch immer die Gesellschaft Schuld an etwaigen Miseren trage. Er kam mit seinem im choralhaften musikalischen Gospelton und seinem jesusmäßigen Aufruf zur Integration ausländischer Mitbürger und vor allem von Freistellung noch wenig bedrohten (ausländischen) Arbeitnehmern damals gerade recht.

Wo Boote noch nicht voll sind, da fällt einem Kollektiv der Mut zum Gutsein leicht, wie der deutsche Autor Robert Gernhardt 1997 in seiner Sichtung dieses berühmten Schlagers von Peter Alexander für den im Reclam Verlag Leipzig erschienenen Sammelband Schlager, die wir nie vergessen richtig anmerkte.

Robert Gernhardt resümierend: "Und heute? Die Zeiten haben sich verfinstert. Der Ofen ist aus, das Boot ist voll, die Grenzen sind dicht - doch je dichter das Dunkel, das sich über die Jahrtausendwende legt, je härter die Verteilungskämpfe wogen, je zynischer das schmelzende Häuflein derer, die noch Solidarität und Mitmenschlichkeit einklagen, als ,Gutmenschen' verspottet wird, desto strahlender nimmt sich die Erinnerung an jene Zeiten aus, da die Botschaft ,Hier ist ein Mensch, der will zu dir', noch nicht den Ruf nach verstärktem Grenzschutz zur Folge hatte, sondern, wenn schon nicht befolgt, so doch sympathisch mitgesummt und mitgebrummt wurde."

Dem 1926 als Peter Alexander Neumayer in Böhmen geborenen und in Wien-Währing aufgewachsenen Sohn eines Bankangestellten sollte hier im Rahmen einer gut 50 Jahre dauernden Bühnenkarriere in der Welt des heilen und immer auch beschwichtigenden und zart verlogenen wie hohlen deutschen Schlagers als dessen größter Star unfreiwillig das klarste Bekenntnis zu aktuellen Zeitgeschehen glücken.

Der Rest dieser im deutschen Raum unvergleichlichen und schon gar nicht wiederholbaren Karriere liest sich allein von den Titeln seiner bekanntesten Lieder her wie eine konservative Werte wahrende Ideengeschichte des deutschen Wirtschaftswunders und seiner Krisen.

"Die süßesten Früchte (fressen nur die großen Tiere)", 1952. Kann man nichts machen, ist so. "Komm ein bisschen mit nach Italien", 1956, oder "Mandolinen und Mondschein" aus 1958, beide urlaubsreglementierte exotische Weltfluchten. "Ich zähle täglich meine Sorgen" (1960), "Der Badewannentango" (1962), "Komm und bedien dich bei mir" (1967): Lieder, die von der Kubakrise und der Welt am atomaren Abgrund inklusive Bunkerbau im Grüngürtel künden. 1973 schließlich, der Fall von Saigon zeichnete sich ab, die ignorante Durchhalteparole "Steck dir deine Sorgen an den Hut". Anschließend bis in die 80er-Jahre herauf immer wieder Bescheidenheit, Zurückstecken, Durchstehen. Es hilft ja sowieso nichts: "Das kleine Beisl", "Die Firma", "Feierabend", Genieß dein Leben", "Immer auf die Kleinen", "Der Tag der kleinen Helden".

Mit heiterer, immer leicht anbiedernder Leichtigkeit, einer präzisen Inszenierung dessen, was die Welt wohl als "Wiener Charme" bezeichnet, und einem ebenso strikten Willen zur Perfektion arbeitete sich hier "Peter der Große" im Verein mit seiner 2003 verstorbenen Ehefrau und Managerin Hilde "Schnurrdiburr" Alexander, mit der er über 50 Jahre verheiratet war und zwei Kinder hat, über Jahrzehnte zum großen Freund und vor allem auch Tröster der kleinen Leute empor.

Seine bis 1995 ausgestrahlten Straßenfeger-Fernsehshows mit, heute unvorstellbar, bis zu 80 Prozent Einschaltquote im deutschen Sprachraum sorgten zwar gerade in deren Endphase mit etwas peinlichen Gastauftritten von Johnny Cash, Falco oder Maria Schell für nachhaltige Verstörung bei damals jungen Sehern wie dem Verfasser dieser Zeilen. Mit gelungenen Eindeutschungen von Elvis-oder Frank-Sinatra-Titeln wie "Bist du einsam heut' Nacht" oder Engelbert Humperdincks "Der letzte Walzer" deutete Peter Alexander aber zumindest an, dass er auch das Zeug zu internationalem Format gehabt hätte. Laut Bekunden von Zeitzeugen interessierte er sich auch einmal sehr für Jazz und zeitgenössischen Pop.

Die Schlagermaschine

Die Maschine aber, sie rollte auch dank unbedarfter, harmloser und im Akkord produzierter Wirtschaftswunder-Filmlustspiele derart geschmiert, dass an ein Aufgeben des alten Rollenfachs als leicht schusseliger, aber liebenswerter Wunschkandidat als Schwiegersohn der deutschen Reihenhaussiedlungen nicht zu denken war.

Die emotionale Tiefe, die zeitgenössisch eigentlich notwendige Gebrochenheit von US-Vorbildern wie Frank Sinatra, sie hatten in dieser Erfolgsstory wohl auch wegen des nach dem Zweiten Weltkrieg ungebrochenen Willens der deutschen Unterhaltungskultur zur Beschwichtigung keinen Platz.

Dennoch kann man heute bei seinen Filmen, in denen Peter Alexander meist die Rolle des "Peter" von nebenan gab, noch eine leise Ahnung davon bekommen, wie das im untergegangenen Takatuka-Land des Wirtschaftswunders zumindest einmal für die Protagonisten der Gewinnerseite gewesen sein muss. Auch hier wieder Filmtitel als Verweis auf goldene Zeiten: "Kirschen in Nachbars Garten", "Liebe, Jazz und Übermut", "Das süße Leben des Grafen Bobby", "Peter schießt den Vogel ab", schließlich das gemeinsam mit Erbschleicherkönig Heintje jung und alt in Hippie-Zeiten versöhnen wollende Angebot von "Pauker-Klamotten" wie "Zum Teufel mit der Penne", "Hurra, die Schule brennt" oder "Hauptsache Ferien".

Seit zehn Jahren lebt Peter Alexander zurückgezogen in Wien und am Wörthersee. Er angelt leidenschaftlich und beschäftigt sich mit Modelleisenbahnen. Ein Kind seiner Zeit. Alles Gute! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.6.2006)