Wien - Die Kapitalmarktexperten der Raiffeisen Zentralbank (RZB) erwarten, dass es im Verlauf des Sommers wieder zu Einstiegsgelegenheiten auf den internationalen Aktienmärkten geben wird. Sorgen bereitet den RZB-Experten die Konjunkturentwicklung in den USA. In Kombination mit Zins- und Inflationsängsten sollten daher die Aktienkurse vor der Erholung in nächster Zeit noch weiter korrigieren und unter die bisherigen Jahrestiefsstände fallen. Der langfristige Aufwärtstrend an den Weltbörsen werde dadurch aber nicht unterbrochen.

"Erst wenn auf den Aktienmärkten die Konjunktur- und Zinsängste durch kritische Unternehmensanalysen abgelöst werden und die Gewinnschätzungen für die zweite Jahreshälfte und für 2007 reduziert werden, könnte der Weg zu einer neuen Kurserholung geebnet werden", sagte der Leiter der RZB-Aktienmarktanalyse, Helge Rechberger, am Mittwoch in Wien vor Journalisten. Die danach noch immer günstigen Bewertungen würden dann auf solide Wachstumsaussichten für Europa und Asien treffen.

Erst mit dem sichtbaren Auslaufen des US-Zinsanhebungszyklus erwarte die RZB eine gewisse "Normalisierungstendenz", meinte RZB-Chefanalyst Peter Brezinschek. Dies könnte im August der Fall sein und den Aktien und Emerging Markets zu gute kommen. Die Volatilität sollte aber weiter hoch bleiben, risikobehaftete Assets ihre Jahreshöchststände schon gesehen haben.

Ende des Immobilienbooms

Das sich abzeichnende Ende des Immobilien-Booms in den USA mache durch die enge Verzahnung mit dem privaten Konsum eine Abkühlung der Wirtschaftsdynamik in den USA absehbar, so Brezinschek weiter. Dafür sei wenig Kompensation zu sehen. Gleichzeitig würden Inflations- und Zinsängste, die durch Äußerungen der Notenbankenchefs in den USA und Europa neue Nahrung erhalten hätten, das aktuelle Bild an den globalen Finanzmärkten prägen.

Diese Kombination aus schwachem Wirtschaftswachstum und hoher Inflation wirke sich nicht vorteihaft auf die Aktienmärkte aus. Jetzt von "Stagflation" zu sprechen, sei aber noch zu früh, sagte Brezinschek, da eine Rezession in den USA nicht zu erwarten sei. Eine Phase der Stagflation - damit wird eine Kombination von ausgeprägter Wachstumsschwäche und hoher Preisentwicklung bezeichnet - habe es zuletzt in den 70er Jahren gegeben. Mit ihrer US-Wachstumsprognose von annualisiert 2 bis 2,5 Prozent für die zweite Jahreshälfte und Anfang 2007 liege die RZB unter dem Konsensus. Die Inflationsrate sollte noch auf 3,0 Prozent steigen, so Brezinschek.

Eine Zinserhöhung durch die US-Notenbank an diesem Donnerstag sieht Brezinschek "vorprogrammiert". Diese könnte auch höher als 25 Basispunkte ausmachen, auch 50 Basispunkte wären keine Überraschung, so der Chefanalyst. Im zweiten Halbjahr sollte es zum Ende des Zinsanhebungszyklus kommen.

Anzeichen für Erholung

Im Gegensatz zu den USA stünden die Anzeichen für eine anhaltend positive Wirtschaftsentwicklung in der Eurozone so gut wie schon seit Jahren nicht mehr. Brezinschek rechnet mit Wachstumsraten von 2 bis 2,5 Prozent. Den stärksten Aufschwung sollte es im zweiten und dritten Quartal geben, der Aufschwung aber auch danach anhalten. Bestätigt werde dieser Trend vom ifo-Index, vom Anziehen der Beschäftigung und der verstärkten Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte.

Sowohl in den USA und der Eurozone sollte der Inflationsdruck erhalten bleiben und sich erst ab 2007 reduzieren. In der Eurozone sei der Sondereffekt Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland nicht außer Acht zu lassen und wirke sich mit 0,25 Prozentpunkten auf die Eurozone aus. Eine Gefahr für die Preisstabilität stelle auch das enorme Kreditwachstum und damit die Ausweitung der Geldmenge dar. Brezinschek rechnet mit Leitzinsanhebungen auf zumindest 3,5 Prozent bis Anfang 2007.

In Japan, wo der Abschied von der Null-Zinspolitik beschlossen wurde, erwartet die RZB ab Sommer Leitzinserhöhungen im Quartalsabstand um 25 Basispunkte auf bis zu 1,0 Prozent. (APA)