Brüssel - Die Erweiterung wird wohl zu einer der größten Herausforderungen der bevorstehenden finnischen EU-Ratspräsidentschaft werden, auch wenn sich Helsinki diesen Schwerpunkt nicht selbst ausgesucht hat. Wenig Fortschritte sind dagegen in der EU-Verfassungsdebatte zu erwarten, nachdem sich hier alles auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Anfang bis Mitte 2007 konzentriert. Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Themen des nächsten Halbjahres.

Öffnung für Zypern

ERWEITERUNG: Bis zum Jahresende muss die EU den Fortschritt bei der Umsetzung des so genannten Ankara-Protokolls durch die Türkei prüfen, durch das sich die Türkei verpflichtet, seine Flug- und Seehäfen für Zypern zu öffnen. Derzeit scheint sich deswegen eine Krise in den Beziehungen zwischen Ankara und Brüssel anzubahnen, da die Türkei die Ausdehnung der Zollunion an eine umfassende Lösung für Zypern knüpft. Aber nicht nur das Zypern-Problem muss gelöst werden.

Im Oktober oder November wird die EU-Kommission ihren regulären Fortschrittsbericht zur Türkei vorlegen, der sich auch kritisch mit der Meinungs- und Religionsfreiheit in dem Land auseinander setzen wird. Bereits einmal hat Helsinki die Beziehungen zwischen Brüssel und Ankara gemanagt. Unter finnischem Ratsvorsitz hat die EU der Türkei 1999 den Status eines Beitrittskandidaten verliehen.

Rumänien und Bulgarien

Ende September oder Anfang Oktober wird die EU-Kommission auch ihren Fortschrittsbericht zu Rumänien und Bulgarien vorlegen. Vom dem Gutachten hängt ab, ob die beiden Länder planmäßig am 1. Jänner 2007 beitreten können. Nur für den - unwahrscheinlichen - Fall, dass die Kommission kein grünes Licht gibt, müssten die EU-Regierungen über eine Verschiebung der Beitritte entscheiden. Debatten sind aber sicher durch die Inanspruchnahme von bestimmten Schutzklauseln zu erwarten, die die EU bei gröberen Mängeln in der Justiz-, Innen-, Agrar- und Wirtschaftspolitik aktivieren kann.

Debatte über den Kosovo

Auch der Westbalkan wird - vor dem Hintergrund der bis November befristeten Status-Verhandlungen um eine mögliche staatliche Unabhängigkeit des Kosovo - ein Schwerpunkt der finnischen EU-Ratspräsidentschaft, wie Ministerpräsident Matti Vanhanen bereits selbst erklärte. Beim EU-Gipfel im Dezember ist mit einer ausführlichen Debatte über den Kosovo zu rechnen. Eines der größten Probleme wird sein, Serbien einen Weg aus der Isolation aufzuzeigen, in die sich das Land durch mangelnde Zusammenarbeit mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal begeben hat. Nach dem Verlust Montenegros per Referendum im Mai droht Serbien bei den Statusverhandlungen auch die mehrheitlich von Albanern bewohnte Provinz Kosovo zu verlieren.

EU-Aufnahmefähigkeit

Gleichzeitig mit den Fortschrittsberichten wird die EU-Kommission auch eine Analyse zur EU-Aufnahmefähigkeit vorlegen. Damit verbunden ist ein Streit darüber, in wie weit die EU neue Beitrittshürden gegenüber der Türkei und anderen künftigen Kandidaten errichten darf. Im Dezember sollen die EU-Staats- und Regierungschefs darüber beraten.

EU-VERFASSUNG: Finnland wird voraussichtlich im Herbst als 16. Mitgliedsland die EU-Verfassung ratifizieren. Entscheidungen über die Zukunft der auf Eis liegenden Verfassung sind im nächsten Halbjahr keine geplant. Finnland soll hinter den Kulissen den Boden für Deutschland aufbereiten, das Mitte 2007 einen inhaltlichen Fahrplan für die EU-Verfassung vorlegen soll.

Polizei- und Justizzusammenarbeit

Die EU will darüber entscheiden, ob und in welchem Ausmaß sie in der Polizei- und Justizzusammenarbeit allenfalls auch ohne Verfassung schneller zu Entscheidungen kommen kann. Im Kern geht es um die Aufgabe des nationalen Vetorechts und um eine Mitbeteiligung des Europäischen Parlaments. Für Österreich wichtig: Unter finnischem Vorsitz muss das Mandat für die EU-Grundrechtsagentur in Wien beschlossen werden, die 2007 ihre Arbeit aufnehmen soll.

Energiepolitik

Die künftige Energieversorgung der EU bleibt auch im zweiten Halbjahr ein Thema. Finnland will vor allem die Beziehungen zu Russland verbessern. Beim informellen Gipfel im Oktober in Lahti werden die EU-Chefs mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Energieversorgung besprechen. Die Union importiert derzeit rund ein Viertel ihres Gasbedarfs und 27 Prozent ihrer Erdölbestände aus Russland. Moskau verweigert die Unterschrift unter eine von der EU gewünschte Energiecharta. Diese würde europäischen Firmen Zugang zur Gasförderung in Russland ermöglichen und das Monopol des russischen Energieversorgers Gazprom (Gasprom) brechen. Moskau wiederum besteht auf einem besseren Marktzugang in den EU-Mitgliedstaaten. (APA)