Wien - Warum sind bei den Zapoteken in Mexiko Zoten unbekannt, und wieso gibt es andererseits in Japan praktisch keine politischen Witze? Wann hören Flüsterwitze auf, lustig zu sein? Wer kann über, wer kann mit Haider lachen?

Über Humor lässt sich sehr ernsthaft nachdenken. Die genaue Untersuchung eines Witzes führt sogar, wie man sagt, zu dessen Tod. Andererseits lassen sich aus seiner Wirkung Schlüsse über das Innenleben seiner Erzähler ziehen.

Diesem Aspekt ist der in Innsbruck lehrende Sozialpsychologe Karl Fallend nachgegangen. Nicht nur Pointen allgemein, sondern ihren jeweiligen Ausprägungen in den verschiedensten Kulturen und politischen Rahmen gilt sein Interesse, entsprechend weit hat er ein psychoanalytisches Netz ausgeworfen. Freud war ja einer der Pioniere der Beschäftigung mit dem Lustigen - schon in diesem Wort steckt die Lust und damit der ursächliche Zweck von Witzen. Sein Buch über das Thema (Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, 1905) gilt immer noch als Maßstab, wenn es darum geht, die aggressiven, unterdrückten, befreienden Seiten den Phänomens zu beleuchten.

Wie Traumarbeit

Weiterführende Arbeiten stellte Fallend am vergangenen Montag in der Hauptbücherei auf dem Wiener Gürtel vor. Unter dem Motto "Freud revisited" haben Analytiker, Sprach- und Sozialwissenschafter die schon vom Vater der Tiefenpsychologie konstatierten Parallelen zwischen Witzen und Träumen neu beleuchtet, den Bedeutungswandel dessen, was als komisch gilt, untersucht, festgestellt, dass eine sexuell befreite Kultur wie die der Zapoteken eben keine Zoten braucht, die Bedeutung von Wortspielen in der argentinischen Kultur gewürdigt und vieles andere mehr.

Fallend selbst hat das Fortleben politisch nicht korrekter, daher umso attraktiverer so genannter "Judenwitze", in Wirklichkeit antisemitischer Verhöhnungen in unserer Umgebung unter die Lupe genommen. Er fand sie durchaus auch bei sich progressiv verstehenden, "bewusst" fortschrittlichen Jugendlichen. In ihnen schlage, so führte er aus, das Unbewusste dermaßen durch, dass ein Erkennen der Aggression nicht möglich ist. Hier verschlingen sich Familienbiografien (mit ihren Leichen im Keller), Angelerntes und kulturell Tradiertes zu einem Knäuel, aus dem ein geschickter Redner, etwa bei Bierzeltfesten, heiter stimmende Fäden ziehen kann.

Wie zur Probe aufs Exempel zeigte Josef Hader dann auf dem Podium, wie Witze funktionieren. Scheinbar wie nebenbei führt er einen Teil seines neuen Kabarettprogramms als komplexe Montage aus Ironie, Tabubrechung und Aggression gegen das Publikum vor. Hader bekannte, bei seiner Arbeit ebenso von der Wiener Indirektheit in allem Gesagten beeinflusst zu sein wie von seiner Heimat ("nix gegen Nöchling") und von den frühen Arbeiten Woody Allens. Um zum Schluss noch eins nachzulegen: "I geh aa wenig ins Kabarett. I geh lieber ins Kino." (DER STANDARD, Printausgabe, 28. Juni 2006)