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Neelie Kroes, EU-Wettbewerbskommissarin

Foto: AP/Charlier
Die nur mit Hilfe einer Staatshaftung über 900 Millionen Euro mühsam erstellte Bilanz der Bawag für das Jahr 2005 könnte einer genaueren rechtlichen Prüfung derzeit möglicherweise nicht standhalten. Diese Meinung wird im Umfeld der EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes vertreten.

"Jede staatliche Beihilfe oder Garantie ist, bevor sie rechtlich gültig werden kann, von der EU-Kommission zu genehmigen," sagte ein Sprecher der Kommissarin. Das stehe so auch im Beitrittsvertrag Österreichs. Dem zufolge sei es nun "verwunderlich", dass es derzeit überhaupt eine Bilanz des Institutes gebe, die sich auf diese nicht genehmigte Garantie stützte, meinen Juristen in Brüssel. Auch das vom österreichischen Nationalrat einstimmig beschlossene Gesetz, das Finanzminister Karl-Heinz Grasser zur Garantie ermächtige, sei derzeit nicht mit EU-Recht vereinbar. "Wir sind uns im Klaren, dass hier unter großem Zeitdruck gehandelt wurde, aber das ist kein Grund, gleich alle EU-Regeln über Bord zu werfen," meinte ein mit der Materie Vertrauter. Ein durchaus zulässiger Schluss aus Brüsseler Sicht: Die Garantie verletze derzeit EU-Recht, sei somit hinfällig - und damit auch die Bilanz, da sie ja eigentlich die Vermögenslage des Untermehmens widerspiegeln sollte.

"Notregelungen"

Aus österreichischer Sicht ist das allerdings nicht so klar: Experten verweisen auf "Notregelungen", die durchaus angewendet werden können. "Dass Gefahr im Verzug war, ist ja wohl klar," meint man im Umfeld der heimischen Aufsichtsbehörden.

Die Finanzmarktaufsicht verweist auf die Wirtschaftsprüfer von KPMG, welche die Bilanz mit einem vollständigen Prüfvermerk ausstatteten. KMPG-Partner Martin Wagner zum STANDARD: "Wir sind uns des Problems durchaus bewusst. Ohne Garantie hätte es keine Bilanz gegeben. Die Garantie wurde verwendet, um gewisse Aktiva in der Bilanz aufzuwerten und damit die Eigenkapitalerfordernisse zu erfüllen." Man habe sich auf die Beratung und Expertisen aus der Finanzprokuratur und dem Verfassungsdienst verlassen und vergleichbare Fälle herangezogen, in denen die Hilfen auch genehmigt wurden. Die Regierung hätte gemeint, "wir bringen es durch", und deshalb habe man voll testiert, obwohl auch eine eingeschränkte Bestätigung möglich gewesen wäre. Man sei sicher an die Grenzen des Möglichen gegangen. (Michael Moravec aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.6.2006)