Die Lienzer Vize-Bürgermeisterin Elisabeth Blanik (SP) warnt vor dichten, aber abgelegenen Wohn-siedlungen.

Foto: STANDARD/Newald

Peter Hanser, VP-Bürgermeister der Innsbrucker Umlandgemeinde Mils, fordert eine aktivere Grundstückspolitik der Gemeinden.

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Innsbruck – Die Gemeinde Mils mit 4000 Einwohnern ist Teil des Speckgürtels rund um Innsbruck, wo mit der Wirtschaft auch die Bevölkerung und die Nachfrage nach Wohnraum rasant wächst. "Wir haben eine hohe Attraktivität, eine gute Verkehrsinfrastruktur und ein intaktes soziales Gefüge", erzählt Bürgermeister Peter Hanser (VP). "Und wir bemühen uns, dass leistbarer Wohnraum in der Gemeinde entsteht."

In Mils und benachbarten Orten gibt es kaum eine Alternative zum verdichteten Wohnbau, sagt Hanser. "Der Einfamilienhausbau ist deutlich rückläufig, weil der Grund immer teurer wird." Gebaut wird oft durch "Nachverdichtung" im bereits bebauten Gebiet. "Wir erstellen einen Bebauungsplan für Vierteln mit 40 oder 50 Häusern. Wir nehmen den Abstandsbereich zurück und erlauben größere Bauhöhen. Dafür gibt es bei den Bewohnern viel Zustimmung, denn vielleicht will der Sohn das Familienhaus eines Tages aufstocken."

"Gemeinden erwerben viel zu wenig Baulandreserven"

Als Preisbremse erweisen sich dabei die Regeln im geförderten Wohnbau. "Die Grundbesitzer, meist Landwirte, nehmen es als gegeben an, dass die Wohnbauförderung keine höheren Preise zulässt, und das dämpft die Preise", berichtet der Milser Ortschef. "Im freien Markt schießen die Preise hingegen in die Höhe."

Nützlich sei auch das Instrument der "Vertragsraumordnung": Bei Neuwidmungen müsse der Grundbesitzer die Hälfte für geförderten Wohnraum zur Verfügung stellen, über den Rest dürfe er dann frei verfügen. Ebenso seien manche Grundstücke als "Vorbehaltsflächen" gewidmet worden, die von der öffentlichen Hand günstig erworben werden können.

Dies tut meist der Tiroler Bodenfonds, doch Hanser wünscht sich eine aktivere Grundstückspolitik der Gemeinden. "Die Gemeinden erwerben viel zu wenig Baulandreserven, weil sie zu sehr in Wahlperioden denken und dies kurzfristig nicht attraktiv ist. Aber langfristig zahlt sich das aus. Die Gemeinden sollen in die Zukunft schauen und nicht nur ins nächste Jahr."

Wanderbewegungen

Ganz andere Bedenken hat Elisabeth Blanik, Vizebürgermeisterin von Lienz und SP-Wohnbausprecherin im Tiroler Landtag. Die Verdichtung eines Wohnviertels bedeute die Ausdünnung anderer Regionen. Denn ein Großteil des Wohnbedarfs entstehe nicht durch Bevölkerungswachstum, sondern durch Wanderbewegungen. "Wer bleibt in den alten Siedlungen zurück?", fragt Blanik. "Da entstehen gesellschaftliche Probleme und Konfliktfelder." Weniger die Dichte als die Lage und Qualität der Wohnbauprojekte sei entscheidend, sagt Blanik, und verweist auf günstige neue Siedlungen in Waldparzellen außerhalb von Telfs, wo besonders dicht gebaut worden sei. "Ich frage mich, wie man etwa als Frau mit Kindern dort leben kann. Im Winter ist die Zufahrt abenteuerlich. Siedlungen, die dicht, aber weit weg sind, schaffen auch für ältere Menschen große Schwierigkeiten. Diese werden einfach an den Rand gedrängt. Ursprünglich mag der Wohnraum günstig sein, aber für die Gesellschaft entstehen hohe Kosten."

In dichten Neubausiedlungen fehle es oft an Identifikation der Bewohner mit ihrem Umfeld, was wiederum den Vandalismus begünstige. Man müsse daher die Abwanderung in die zentralen Ballungsräume einbremsen und die Geschwindigkeit des Neubaus zugunsten der Sanierung der alten Stadtzentren drosseln. Nachfrage nach neuen Wohnungen sei kein Grund für beschleunigten Wohnbau, denn diese sei ihrer Erfahrung nach immer konstant, egal wie viel gebaut wird. "In Lienz gibt es immer 200 Familien, die eine Wohnung suchen." (ef, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.6.2006)